Ingolstadt
"Schritt für Schritt will ich langsamer werden"

Der Schriftsteller und Fleißer-Preisträger Harald Grill las sehr unterhaltsam im Katharinen-Gymnasium

06.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:32 Uhr

Er begeisterte die Elftklässler genauso wie die Kleinen: der Schriftsteller Harald Grill im Katharinen-Gymnasium. Er hat 2003 den Marieluise-Fleißer-Preis gewonnen - Foto: Hahnemann / Katharinen-Gymnasium

Ingolstadt (DK) Harald Grill stammt aus der Oberpfalz, ein Heimatdichter ist er aber nur in einem ganz speziellen Sinn, jedenfalls immer jenseits jeder romantisch-kitschigen Hochglanzidylle. Jetzt kam der Marieluise-Fleißer-Preisträger des Jahres 2003 auf Einladung der Fachschaft Deutsch nach längerer Zeit einmal wieder ans Katharinen-Gymnasium, um einen wahren Marathon zu bewältigen.

Dabei begeisterte er mit seinen Geschichten und Texten sowohl die Schülerinnen und Schüler der Q 11 als auch die anschließend versammelte 5. Jahrgangsstufe.

Zunächst präsentierte Grill vor den Oberstufenschülern sein jüngstes Reiseprojekt, das ihn 2014 "hinter drei Sonnenaufgängen in eine andere Welt" geführt hatte, und zwar nach Rumänien, Bulgarien und in die Ukraine; ein bei uns eher unbekanntes, oft mit Klischees besetztes Stück Europa, das aber gerade in seiner Fremdartigkeit umso faszinierender schillert, besonders wenn es von Grill in seiner verschmitzten Art plastisch, bunt und nahe an den vielen interessanten Menschen, auf die er immer wieder trifft, beschrieben wird. Mit neugierigen Blicken zog der Autor drei Monate lang über den Balkan, nutzte Auto, Bus, Bahn und Schiff, nahm sich dabei viel Zeit für Land und Leute und ließ, wie er selbst sagt, die "Beschleunigung, die Rennerei, die Hetzerei", die zu oft unser aller Alltag prägen, hinter sich. Den Teenagern am Katherl machte er ganz nebenbei so richtig Lust, mal einfach in die Welt hinauszuziehen, mutig Ballast abzulegen und sich einzulassen auf neue Erfahrungen, Landschaften und Menschen.

Im zweiten Teil des Vormittags konnten die Zuhörer im Katharinen-Gymnasium erleben, wie geschwind und unnachahmlich sich Harald Grill auf eine nun ganz andere Zuhörerschaft einstellen kann, denn jetzt kamen die "Kleinen" aus den fünften Klassen in den Genuss einer wahren Performance - der Autor demonstrierte den Kindern, wie er selbst Bücher schreibt, und zwar anhand seines bekannten Jugendromans "Da kräht kein Hahn nach dir", der von Bernd erzählt, der nach einem Unfall seines Vaters, bei dem dieser ein Bein verloren hat, mit seiner Familie vom Land und dem Bauernhof in ein Hochhaus nach Regensburg ziehen muss - anschaulich ist das, ehrlich und erlebnisreich, oft so richtig lustig, aber auch mal nachdenklich und auch traurig. Die jungen Leute waren begeistert, sowohl vom Buch selbst, aber mindestens ebenso von den Erzählungen des Schriftstellers drum herum. Zum Beispiel erfuhren die Schüler, dass Grill zur Ideensammlung gern Wäscheleinen benutzt, an die er mit Klammern kleine Kärtchen mit Notizen hängt.

Eine Pause gönnte sich der 65-Jährige auch zwischen den beiden Auftritten nur bedingt, denn da stellte er sich den vielfältigen Fragen der Schülerzeitung und sprach mit zwei jugendlichen Redakteuren übers Schreiben, seine Familie, sein Leben auf dem Land, über die Zeit des hartnäckigen Widerstands seiner Heimatregion gegen die von der bayerischen Staatsregierung in den 1980er-Jahren geplante atomare Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf und vieles mehr. Beim Schreiben geht es ihm, so erzählt Grill, zunächst darum, sich selbst einen Überblick zu verschaffen. Gedichte und Geschichten würden gewiss nicht gleich die Welt verändern, aber uns selbst schon - dann, wenn wir es zulassen.