"Schönheit des Instruments und der Musik präsentieren"

<?Schrift SchriftWeite="92ru"> Organist Edgar Krapp zur Aufzeichnung seines Orgelkonzerts im Liebfrauenmünster Ingolstadt durch den Bayerischen Rundfunk<?_Schrift>

05.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:49 Uhr

Ingolstadt - Zur Eröffnung der Ingolstädter Orgeltage am Sonntag, 9. August, um 20.15 Uhr an der Bach-Orgel im Liebfrauenmünster konnte der international renommierte Konzertorganist Edgar Krapp gewonnen werden.

Krapp ist auch in der Ingolstädter Orgelszene seit Jahrzehnten eine feste Größe und war im Münster zuletzt im Jahr 2016 im Rahmen der Einweihungsfeiern der von Kristian Wegscheider aus Dresden erbauten Bach-Orgel zu hören. Eine Premiere wird das Konzert am Sonntag aber dennoch sein, denn zum ersten Mal wird der Bayerische Rundfunk ein Konzert auf diesem Instrument aufzeichnen. Über die besonderen Herausforderungen eines solchen Projektes spricht Edgar Krapp im Interview.

Herr Professor Krapp, macht es bei der Vorbereitung eines Konzertes eigentlich einen Unterschied, wenn der Rundfunk dabei ist?
Edgar Krapp: Das ist natürlich besonders spannend - immerhin gibt es hier ja nur die eine Aufführung und nicht einmal eine Generalprobe, die mitgeschnitten wird, oder Vor- und Nachaufnahmen. In so einem Fall versuche ich dann nichts dem Zufall zu überlassen und bereite mich so intensiv wie möglich vor. Eigentlich ist das wie eine Live-Übertragung.

Spielt man dabei dann nicht mehr für das Mikrofon als für das Publikum?

Krapp: Ich möchte für das Publikum und für den Raum spielen, im besten Fall so, als wäre der Funk nicht dabei. Bei einer guten Aufnahme teilt sich das dem Zuhörer auch mit, denn dann man hört auch auf dem Mitschnitt, dass die Orgel in einem großen Raum steht, der beispielsweise langsamere Tempi als eine reine Studioproduktion verlangt. Darauf muss sich auch die Tontechnik einstellen. Deshalb ist es wichtig, sich mit dem Aufnahmeleiter vorher auszutauschen, das Klangbild der Aufnahme zu überprüfen und sich dabei vor allem ausreichend Zeit zu lassen.

Dabei gelten Sie ohnehin als ausgesprochen akribisch bei der Vorbereitung Ihrer Konzerte.
Krapp: Es ist mir einfach ein besonderes Anliegen, ein Konzertprogramm in der auf der jeweiligen Orgel und der für den Raum bestmöglichen Klanggestalt zu präsentieren. Das Einregistrieren der Stücke ist ja ohnehin fast wie ein "Instrumentieren", um den Charakter und die Schönheiten des Instruments und der Musik zur Geltung zu bringen. Das hat mir schon immer besondere Freude gemacht. Dazu gehört übrigens, dass ich mir gerne Registrierungen vorspielen und auch abhören lasse, um ihre Wirkung besser einschätzen zu können. Der Klangeindruck im Kirchenraum ist nämlich fast immer anders als am Spieltisch.

Hat der Gedanke an die Rundfunkaufzeichnung eine Rolle bei der Programmauswahl gespielt?

Krapp: In diesem Fall nicht, denn das Programm war mit dem Veranstalter abgesprochen, bevor an eine Aufzeichnung gedacht wurde. Es macht auch keinen Unterschied: Wenn es ein gutes Konzert für die Zuhörer ist, dann wird es auch als Aufnahme gut funktionieren. Letztlich hat so ein Mitschnitt ja eine Dokumentationsfunktion, nicht zuletzt für mich selbst: Er ist zeitbezogen und zeitgebunden.

Bei Ihrem letzten Konzert im Münster ging es Ihnen darum, möglichst eindrucksvoll die Vielseitigkeit der Bach-Orgel in den Vordergrund zu stellen, um damit einer zu starken Einengung auf den Namenspatron von vorneherein entgegenzuwirken. Heuer dagegen stellt das Programm Johann Sebastian Bach deutlich in den Mittelpunkt.
Krapp: Allerdings stelle ich neben Bach Werke der zwei interessantesten Orgelkomponisten aus seinem Umfeld, nämlich Dietrich Buxtehude als seinen einzigen dokumentierten Lehrer außerhalb der eigenen Familie, und Johann Ludwig Krebs als Bachs Lieblingsschüler. Das Konzert geht also gleichsam über drei Generationen mit Johann Sebastian Bach im Zentrum.

Gibt es da auch generationsübergreifende Zusammenhänge?
Krapp: Ausgangspunkt ist Buxtehudes großartige "Fantasie" über das lateinische "Te Deum", ein fünfteiliges Kompendium seiner Orgelkunst und insgesamt sein bedeutendstes Orgelwerk. Hier kann man nachvollziehen, dass der zwanzigjährige Bach von Buxtehude so fasziniert war, dass er seinen Studienaufenthalt bei ihm in Lübeck eigenmächtig um ein Vielfaches verlängert hat. Buxtehudes Einfluss ist dementsprechend in vielen von Bachs Orgelwerken deutlich hörbar, besonders die virtuosen und ausdrucksstarken Passagen im sogenannten Stylus phantasticus, die sich auch in der bekannten "Toccata und Fuge in d-moll" finden, mit der ich das Konzert in Ingolstadt beschließen werde. Die Orgelwerke von Krebs wiederum lassen vielfach ein ganz bestimmtes Stück von Bach als Vorbild deutlich erkennen, wobei ich das nicht als bloße Kopien werten würde, sondern einfach als Ausdruck der Wertschätzung des Schülers für seinen Meister. Als Gegenpol zu diesen eher monumentalen freien Werken werde ich schließlich zwei von Bachs großartigen Choralbearbeitungen über "Allein Gott in der Höh sei Ehr" spielen. Gerade bei diesen eher leisen Stücken habe ich mit der klanglichen Gestaltung viel ausprobiert und für den langsamen Choral eine ungewöhnliche Lösung gefunden. Das dazu benötigte Register Unda maris findet man nicht oft - aber auf der Bach-Orgel in Ingolstadt!

DK


Das Gespräch führte
Martin Sokoll, Foto: privat

ZUR PERSON
Edgar Krapp, 1947 in Bamberg geboren, ist ein weltweit renommierter Organist und Musikwissenschaftler. Nach dem Abitur am Franz-Ludwig-Gymnasium Bamberg im Jahr 1966 studierte Krapp Orgel bei Franz Lehrndorfer in München und bei Marie-Claire Alain in Paris. Krapp führte mehrfach das Bach'sche Orgelgesamtwerk auf, alle 14 Konzerte in München wurden im Rundfunk live übertragen. Er lehrte zuletzt von 1993 bis 2012 an der Musikhochschule München.