Dollnstein/Eichstätt/Ochsenfeld - Vor Jahrzehnten war es in vielen Gaststätten im Altmühlkreis noch Brauch, den Fasching in Form einer Moritat oder als ein improvisiertes Volksschauspiel zu begraben.
Dieses Gaudium wurde leider vom modernen Zeitgeist immer mehr ausgelöscht. Es gibt nur noch wenige Gaststätten, die dieses Brauchtum pflegen. Dieses soll beispielhaft beschrieben werden.
Dollnstein Dollnstein ist schon durch Wolfram von Eschenbachs "Parzival" bekannt, in dem schon in alter Zeit "die lustigen Weiber von Tollenstein" erwähnt wurden. Dass dies so geblieben ist, kann man heute noch erleben. Der Fasching ist in Dollnstein die fünfte Jahreszeit. Der Ruf des Dollnsteiner "Kehraus" mit Faschingsbegräbnis ist im Eichstätter Land sehr gut und kann als Einakter eines Bauerntheaters bezeichnet werden.
Das Dollnsteiner Gasthaus "Zur Post" war in vergangenen Jahren die Bühne, auf dem das Spektakel stattfand. Nach einem Abend mit Tanz und Verabschiedung der Faschingsgesellschaft ging es um 23.15 Uhr zur Sache. Um die Saalmitte wurden alle Besucher im Kreis platziert, damit jeder das Geschehen miterleben konnte. Die Türe ging auf und eine schwarz gekleidete Prozession mit Frack und Zylinder bewegte sich in die Saalmitte. Voraus gingen die neun "Leichenbeter" mit brennenden Kerzen in der Hand, wobei die erste "Amtsperson" mit einem "Weihwasserpinsel" reichlich über die Köpfe der Gäste hinweg spritzte. Vier davon trugen einen Sautrog, in dem die "Leiche" des Verblichenen lag. Sein grau geflecktes, ausgezehrtes Gesicht ließ manchen der kleinen Zuschauer erschauern. Die Klagefrau wich keinen Schritt vom Sarg und machte durch lautes Seufzen und Klagen auf sich aufmerksam.
Nun trat die Hauptperson des Schauspiels in Erscheinung - "Pfarrer Don Promillo" alias Erich Bittl. Er betrat die Bühne des Geschehens mit einem wuchtigen Messbuch in der Hand. Mit Handbewegungen begrüßte er die Trauergäste und man sah, dass hier ein Profi am Werk war. Sofort wurde wieder "Weihwasser" über die Köpfe gespritzt, damit wieder Ruhe eintrat. Er leierte in atemberaubender Geschwindigkeit in einer selbst erfundenen Sprache seine Begrüßung herunter, der zwar jeder interessiert zuhörte, von der aber keiner ein Wort verstand.
"Don Promillo" blätterte in seinem "Messbuch" und las sofort in verständlicher, souveräner Art ein Missgeschick seines "geistlichen" Amtsbruders aus dem Pfarrhaus vor. Dieser wollte zur Einsparung der Kosten die Einschmelzung von Kerzenresten selber in die Hand nehmen. Alles war vorbereitet und der Topf mit Inhalt stand am Herd. Leider überkam den Geistlichen eine unvorhersehbare Müdigkeit und er schlummerte ein. Er erwachte und glücklicherweise war die Schmelze noch nicht vollendet. Entspannt nahm er wieder Platz und schon wieder war er im Land der Träume. Ob ein strenger Geruch oder die Feinfühligkeit des "Wachsprofis" die Ursache für sein Erwachen war, konnte er nicht mehr feststellen. Mit Entsetzen sah er den verschmorten Topf und die farbliche Veränderung der Küche. Diese hatte sich in eine "Roaßküchl" verändert. Nun, im Fasching darf man vielleicht ein bisschen schadenfroh sein, wenn man als "Don Promillo" über die weltliche Geistlichkeit ein bisschen schmunzelt. "Hochwürden Don Promillo" war jetzt so richtig in Fahrt gekommen und wie am Schnürchen las er nun lustige Anekdoten vor, die im Laufe des Jahres geschehen waren. Nach jedem Stück stimmten die "Leichenbeter" einen kurzen Choral an, wobei der Witwe auch einige schrille Töne über die Lippen kamen. Als auch in Gedichtform lustige Geschehnisse zelebriert wurden, stimmten die Trauergäste in Form einer Litanei nach jedem Stück mit ein. Als alle Missgeschicke und Kabinettstückchen des verflossenen Jahres vorgetragen waren, wünschte "Don Promillo" alias Erich Bittl ein gutes Gelingen für einige weitere Vorhaben der Faschingsgesellschaft im neuen Jahr und einen guten Nachhauseweg.
EichstättIn den 60er-Jahren liebte der Faschingsfreund den "Kehraus" genauso wie vorher den "Rosenmontag", an dem die halbe Stadt maskiert, teilweise bis zum frühen Morgen, unterwegs war. Unvergessen ist das Faschingsende im Eichstätter "Ratskeller". Dem "Faschingsbegräbnis" im Ratskeller eilte damals ein Ruf voraus, den man heute Kult nennen würde. Das Wirtshaus war voll besetzt und viele Eichstätter "Originale" fieberten dem Ereignis entgegen. Viele Rollen waren von "Profis" besetzt. Der Pfarrer, ein Kaminkehrer, die Ministranten praxiserprobt und die Witwe hatte eine kräftige, schrille Stimme. Der Rest der Aktiven wurde während des Abends "überredet". Die Hauptrolle als "Fasching" wurde mit einem Mann von etwa 1,55 Metern besetzt, der nicht so sehr ins Gewicht ging. Er musste mit dem "Sarg" von vier "Trägern" eine lange, festgelegte Strecke getragen werden. Gegen halb elf begann die schaurige Handlung. Der "Hinscheidende" wurde auf einen umgedrehten Tisch gelegt und mit einer durchsichtigen Folie abgedeckt. Der Pfarrer war in Position, ein Ministrant holte aus dem Wassereimer die neue Klobürste hervor und übergab sie dem "Geistlichen". Die Tür öffnete sich und der "Ratskeller-Karre" (Gastwirt) kam mit einer frischen Blutwurst und einem großen Messer in der Hand herein und schritt zur Tat. Er zerschnitt über dem "Hinscheidenden" die Blutwurst und alles färbte sich rot. Da der "Pfarrer" mit der "Weihwasser-Bürste" alle benetzte, was in seiner Nähe stand, war der ganze Sarg voll roter Brühe. "Jetzt is er hie! ", schrie einer der Akteure. Da fing die verschleierte Witwe zu schreien an und einige Klageweiber stimmten ein. Nun erhob der Pfarrer seine Stimme und lobte den "Verblichenen" für die glücklichen Stunden, die er ihnen beschert hatte. Dann nahm seine Stimme an Lautstärke zu und er schimpfte über die Sünden, die während seiner Regierungszeit begangen wurden. Auch viel Ehebrüche und Elend habe er auf dem Gewissen und manchen habe er finanziell ruiniert. Es gab noch einmal reichlich "Weihwasser" und es wurden Kerzen verteilt. Sie wurden entzündet und schon ging es zur Türe hinaus. "Soll man eigrom oder soll man net eigrom! ", leierte der vordere Teil der Prozession herunter, als es der Innenstadt zuging. Der hintere Teil des Trauerzugs antwortete: "Grom man ei, sonst werda stinkat! "
Der Willibaldsbrunnen wurde erreicht und er wurde umrundet. Da kam eine Lichterprozession von der Gaststätte Heil die Westenstraße herein und leierte ihr Gebet herunter. Kaum war eine Runde gelaufen, öffnete sich vom Hotel "Adler" die Türe und ein weiterer Trauerzug gesellte sich dazu. Nun waren alle ausgefroren und dem "Verblichenen" gab man etwas "Feuerwasser" zum "Überleben", bevor man den Rückweg antrat. Man nahm noch eine warme Mahlzeit zu sich und der Fasching hatte ein würdiges Ende gefunden.
WasserzellDiese Faschingsgesellschaft gestaltete das Faschingsbegräbnis etwas vornehmer. "Prinz Karneval" wurde bis vor ein paar Jahren als "Strohpuppe" zu Grabe getragen. Mit einem massiven "Pappkarton-Thron" wurde hier dem "Prinz Karneval" letzte Ehre erwiesen. Nachdem der "Pfarrer" Reinhold Linke im schwarzen Gehrock und Zylinder dem Verblichenen im Nachruf viel Lob für die frohen Stunden ausgesprochen hatte, hatte er auch schwere Vorwürfe für ihn parat. Der "Verblichene" habe eine "zügellose Herrschaft" hinterlassen. Es musste ja mit ihm so enden durch seinen exzessiven Alkoholgenuss. Er habe so manches Mädchen- und Männerherz unglücklich gemacht und seine Leber versoffen. Dabei wurde "Prinz Karneval", der mitten im Saal in seinem "Pappkarton-Thron" saß, immer wieder mit "Weihwasser" bespritzt, wobei auch seine "Trauergemeinde" etwas befeuchtet wurde. Man verteilte Kerzen, der Mesner ergriff den Weihwasserkessel und ging der Prozession voraus. Sie zog feierlich die Dorfstraße hinunter zur nahen Altmühlbrücke. Man zündete die Puppe an und ließ sie an Schnüren ins Wasser hinunter. Die Trauernden fingen zu jammern an und winkten hinterher, als "Prinz Karneval" in seinem brennenden Thron in der Finsternis verschwand.
OchsenfeldHier begrub man vor vielen Jahren den "Fasching" in Gestalt eines Freiwilligen, der mit Brotzeit und Gerstensaft dafür belohnt wurde. Er landete beim Kehraus im Sarg in Form eines Sautrogs. Die Gestaltung der Gaudi war jedes Jahr anders.
EK
Werner Pfaller
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