Pförring
"Schön, dass ihr da seid!"

Der Pförringer Feuerwehrkommandant Markus Grimm erzählt vom Schneeschaufeln im Landkreis Traunstein

14.01.2019 | Stand 02.12.2020, 14:51 Uhr
Der Bauhof von Reit im Winkl war eins der Gebäude, die Feuerwehrleute aus Pförring zusammen mit Kameraden aus dem Landkreis Eichstätt von der Schneelast befreiten. Die Hilfsbereitschaft war so groß, dass nicht alle Freiwilligen mitfahren konnten. −Foto: Feuerwehr Pförring

Pförring/Reit im Winkl (DK) Unter den rund 180 Feuerwehrleuten aus dem Landkreis Eichstätt, die ihr Wochenende geopfert haben, um den Menschen im Landkreis Traunstein im Kampf gegen die Schneemassen zu helfen, waren auch 14 aus dem Gemeindebereich Pförring.

Wir sprachen mit dem frischgebackenen Kommandanten der Pförringer Wehr, Markus Grimm (kleines Foto), über seine Erfahrungen.

Herr Grimm, Sie haben Ihr Wochenende beim Schneeschaufeln verbracht und auf Feldbetten geschlafen. Was tut Ihnen mehr weh, die Hände oder der Rücken?

Markus Grimm: Mir persönlich der Rücken (lacht). Als Gruppenführer war ich mehr mit der Organisation beschäftigt als mit dem Schaufeln. Die Gruppe aus Pförring war für das Heizkraftwerk von Reit im Winkl eingeteilt, an das 90 Prozent der Haushalte angeschlossen sind. Wir haben 1600 Kubikmeter Schnee bewegt. Da ist der Muskelkater garantiert.

Retten, löschen, bergen lautet das Motto der Feuerwehr - von Schneeräumen war da nicht die Rede. Gehören Schneeschaufeln überhaupt zur Ausrüstung oder hat jeder seine eigene mitgebracht?

Grimm: Als wir am Freitagvormittag die Anforderung vom Hilfeleistungskontingent bekommen haben, hat Bürgermeister Sammiller erstmal den Bauhofleiter Martin Kühner zum Einkaufen nach Ingolstadt geschickt. Der hat nicht nur Schaufeln gebracht, sondern auch zwei Schneehexen ergattert.

Schneehexen, was ist das?

Grimm: Das habe ich bis dahin auch nicht gewusst. Eine Schneehexe kann man sich vorstellen wie eine Schubkarre ohne Räder. Die gleitet auf dem Schnee dahin und ist deshalb für das Räumen von Dächern das Mittel der Wahl.

Mit welchen Autos fährt man denn da? Ein Löschzug hilft da ja nicht viel.

Grimm: Wir sind mit dem Mehrzweckfahrzeug und mit dem Gerätefahrzeug Logistik gefahren. Das sind im Prinzip Lkw, auf denen wir auch unser Gepäck und unsere Schlafsäcke verstauen konnten.

Schneeketten haben Sie sicher auch gebraucht?

Grimm: Hatten wir aber nicht und konnten auf die Schnelle auch keine mehr besorgen. Es ist trotzdem gerade noch gut gegangen. Schneeketten werden deshalb auf jeden Fall auf der Bedarfsliste stehen, die eigentlich am Freitagabend aufgestellt werden sollte.

Und wie sieht's mit der persönlichen Ausrüstung aus? Ihr Outfit - von den Stiefeln bis zum Helm - ist ja eigentlich für ganz andere Einsätze gemacht.

Grimm: Die Feuerwehrkleidung war ganz gut. Der Helm ist wasserdicht und auch die Jacke. Die Arbeit ist aber so schwer, dass die Männer immer maximal eine halbe Stunde am Stück räumen konnten. Dann wurden sie abgelöst und konnten Pause machen. Da hat sich die Standheizung unseres Mehrzweckfahrzeugs bewährt. Und auch die Versorgung mit Brotzeit und Getränken hat gut geklappt - auch wenn der Tee manchem nicht geschmeckt hat.

Wir Flachlandbewohner jammern ja schon, wenn wir morgens den Gehsteig räumen müssen. Wer ist da bei Ihnen zuhause zuständig?

Grimm: Meine Frau (lacht)!

Die Dimensionen waren bei Ihrem Einsatz ja ganz andere. Fühlt man sich angesichts dieser Schneemassen nicht ohnmächtig?

Grimm: Das war echt ein Erlebnis. Der Schnee war mannshoch. Der absolute Hammer. So was habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Deshalb habe ich auch den Personalbedarf unterschätzt. Statt zwei Stunden haben wir für ein Dach sieben gebraucht.

Wenn man bei solchen Schneehöhen Schnee von Dächern räumt, ist das ja nicht ungefährlich, oder?

Grimm: Da hat man aus früheren Schneekatastrophen gelernt, wo Helfer durch Dachfenster gestürzt sind. Deshalb durften wir, wo's Dachluken gab, nur bei Tag aufs Dach und außerdem haben wir die Leute angeseilt. Auch wo die Dächer hoch oder steil waren oder wenn unten kein Schneepolster einen Sturz aufgefangen hätte. Aber Gott sei Dank ist keinem was passiert.

Räumen die Helfer eigentlich nur Dächer von öffentlichen Gebäuden?

Grimm: Die Privatleute dort haben Erfahrung und helfen sich selber. Umso bewegender ist es deshalb, wenn Dir jemand auf die Schulter klopft und sagt "Schön, dass Ihr da seid! " Oder wenn jemand kommt und dir Süßigkeiten zusteckt, wie die Rektorin der Schule von Grabenstätt, wo wir übernachtet haben.

Zum Einsatz hatten sich mehr Freiwillige gemeldet, als mitfahren konnten. Jetzt ist schon das zweite Kontingent unterwegs. Waren es da auch wieder so viele?

Grimm: Die Resonanz war super. Am Freitag um 11 Uhr habe ich den Anruf bekommen, dass das Hilfeleistungskontingent Leute braucht. Um 14 Uhr hatten sich über die Whatsapp-Gruppe der Feuerwehr schon 28 aus Pförring und den Ortsteilen gemeldet. Und das, obwohl viele in der Arbeit ihr Handy gar nicht dabei haben. Leider konnten die Kameraden, die enttäuscht waren, weil sie zuhause bleiben mussten, auch bei der Ablösung am Montag nicht mitfahren. Aber die Hilfsbereitschaft im ganzen Landkreis ist so groß, dass jetzt erst einmal andere Wehren zum Zug gekommen sind. Allen Kameraden möchte ich herzlich danken, aber auch ihren Familien und ihren Arbeitgebern für ihr Verständnis.

Und wenn jetzt jemand auf die Idee kommt, einfach auf eigene Faust loszufahren?

Grimm: Das wäre ein ganz schlechte Idee. Wer bei einer solchen Lage ungeplant kommt, macht mehr kaputt als gut. Man hat dann keine Unterkunft, keine Verpflegung und steht schließlich nur im Weg rum.

In den Nachrichten kommt nach dem Schneechaos nun an zweiter Stelle schon die Hochwassergefahr. Erinnert Sie das an das Pfingsthochwasser vor 20 Jahren?

Grimm: Ja, leider! Deshalb bin ich ganz dankbar, dass ich bei dem Schneeeinsatz dabei sein konnte. Denn bei der Organisation des Hilfseinsatzes ist es letztlich egal, ob man Schnee schaufelt, oder Sandsäcke füllt. Du brauchst einfach Know How, um die Arbeit so vieler Leute zu organisieren. Bei einem echten Einsatz lernst du Dinge, die in keinem Lehrgang vorkommen. Ich hoffe aber, dass ich's nicht so bald brauche.

Das Gespräch führte

Sebastian Kügel.
Ingolstädter im EinsatzIngolstadt/Berchtesgaden (DK) Seit Sonntagfrüh sind auch sechs Feuerwehrmänner der Freiwilligen Feuerwehr Stadtmitte im Berchtesgadener Land im Einsatz. Zusammen mit dem Technischen Hilfswerk wurde in Neukirchen das Dach eines Bauernhofs geräumt. Gestern waren die Männer in Weißbach an der Alpenstraße eingesetzt, um das Dach eines Gasthofs zu räumen. Die Anfahrt wurde durch eine abgegangene Lawine sehr erschwert, die Umfahrung kostete viel Zeit, berichtet die Feuerwehr. Weitere Stationen für die Hilfeleistungen sind unter anderem Bayrisch Gmain und Ainring. Da mit einer Entspannung der Lage noch nicht zu rechnen ist, wurde gestern Nacht eine Ablösung organisiert. Kameraden der Feuerwehren Stadtmitte und Haunstadt machten sich auf den Weg.