Ingolstadt
Schmerzende Musik

Reinhold Meisers Komposition "Gebet" in Ingolstadt uraufgeführt

24.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:23 Uhr

Beifall für die Künstler am Ende des Konzerts, in dem eine Komposition von Reinhold Meiser uraufgeführt wurde - Foto: Engel

Ingolstadt (DK) Eine anspruchsvolle, schwer verdauliche, aber sehr interessante „Stunde der Kirchenmusik“ gab es am Samstag in der St. Matthäuskirche Ingolstadt. „Visionen“ war das Hauptthema. Höhe- und Mittelpunkt war die Uraufführung der Komposition „Gebet“ von Organist Reinhold Meiser. In dieser verbindet Meiser das Gedicht „Gebet“ der Expressionistin Else Lasker-Schüler (1869–1945) mit dem barocken Choral „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“ von Matthäus Meyfart (1590–1642). Johann Michael Schmidt referierte dazu.

Zunächst wurde der Abend meditativ mit Olivier Messiaens „L’apparition de L’Eglise eternelle“ eröffnet. Ein in Klangfülle und Dynamik immer mächtiger werdendes Orgelstück, das einen schreienden Höhepunkt findet, um danach langsam wieder in der Stille zu verschwinden. Anschließend trug Simone Columeau das Gedicht Lasker-Schülers vor und Reinhold Meiser spielte drei Choralvorspiele zum Lied „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“. Eine Version von Otto Dienel (1839–1905), die in einem Register gespielt wurde, klang so, als würde jemand durch Seidenpapier schreien. Die nächste Version war von Kurt Thomas (1904–1973) – ruhig, mit einer untermalenden Melodie und Akkordbrechungen und zuletzt eine Version von Max Reger (1873–1916). Sie klang hoffnungsvoll, am Ende erlösend.

Vor der Uraufführung erklärte Johann Michael Schmidt den Zusammenhang und die Unterschiede zwischen Gedicht und Choral. Beide Texte ständen im bayerischen Gesangbuch hintereinander, wobei die zweite Strophe des Gedichts fehle, beide thematisierten „Die Suche nach einer Stadt, die Schutz bietet. Die Symbol für einen neuen Himmel und einer neuen Erde ist.“ In beiden Texten herrsche Endzeitstimmung. Bei Meyfarts wegen des 30-jährigen Krieges, bei Lasker-Schüler wegen des Ersten Weltkrieges. Beide Texte seine in der Ich-Perspektive verfasst. Bei Meyfarts sei es ein christliches Ich, bei Lasker-Schüler ein zerrissenes Ich. Ansonsten gäbe es keine Gemeinsamkeiten. „Was die Sprache nicht vermag, vermag die Musik. Das leistet die Komposition von Reinhold Meiser. Sie verbindet Gedicht und Choral“, erklärte Schmidt. Was dann kam, war für alle schwere musikalische Kost: Für die Zuhörer, für die Sopranistin Monika Lichtenegger und wahrscheinlich auch für den Komponisten an der Orgel. Keine meditativen, raumfüllenden Orgelklänge erklangen, bei denen man in sich gehen kann, sondern harte Dissonanzen, Schreie, zuweilen Sprechgesang und eine fast Angst einflößende Orgel. Zwischendurch löste diese Musik fast schon Schmerzen aus. Man befürchtete, Orgel und Apokalypse bräche über einen herein. Monika Lichtenegger musste mit ihrer Sopranstimme in dämonische Tiefen und in schreiende Höhen gleichzeitig. Entspannend war das nicht – dafür sehr spannend.