Eichstätt
Schlangengrube?

Tag Eins nach dem Paukenschlag

09.05.2019 | Stand 02.12.2020, 14:00 Uhr
Die Leitung der Sitzungen des Eichstätter Stadtrats - hier Fotos von der Sitzung am 11. April - ist für OB Andreas Steppberger (hinten Mitte) streckenweise ein hartes politisches Geschäft. −Foto: Knopp

Eichstätt (EK) Oberbürgermeister Andreas Steppberger (FW) wirkte gestern locker und gelöst wie schon lange nicht mehr. Die Nachricht war - endlich! - raus: Im EICHSTÄTTER KURIER hatte der 42-Jährige mitgeteilt, dass seine erste Amtsperiode auch seine einzige bleibt und er bei der Wahl 2020 nicht mehr kandidieren wird. Diese Amtszeit führe er noch voll motiviert und gerne fort, doch dann sei Schluss damit.

Es ist kein Geheimnis, dass Steppberger gesundheitlich angeschlagen ist. Das und dass sich ein Familienleben mit vier Kindern schlecht mit einer 80-Stunden-Woche als Oberbürgermeister verträgt, hatte ihn wie berichtet zu diesem Entschluss gebracht. Seit Wochen stand die Frage, ob der OB wirklich weitermachen will, wie ein großes Fragezeichen über der Stadt. Jetzt herrscht Klarheit.

Damit müssen sich die Freien Wähler nun unverhofft neu auf Kandidatensuche begeben. Doch völlig überraschend hat die FW-Fraktion diese Nachricht nicht ereilt. Fraktionsvorsitzende Martina Edl bestätigt, dass sich Steppbergers Entscheidung seit der internen Fraktionsklausur der FW am 30. März abgezeichnet habe. "Wir wären sehr gerne mit ihm als unseren Kandidaten in den Wahlkampf gegangen, aber menschlich haben wir vollstes Verständnis für seine Entschiedung."

Vermutungen, dass die Freien Wähler ihren eigenen OB "abgeschossen" hätten, weist Edl entschieden zurück: Zwar seien die FW-Stadträte mit ihrem OB nicht immer einer Meinung gewesen und den Beschlussvorschlägen seiner Verwaltung oft nicht gefolgt, Steppberger habe jedoch "immer den Rückhalt der Fraktion gehabt, und er wird ihn bis zum Ende seiner Amtszeit weiterhin haben", versichert Edl.

ÖDP-Fraktionssprecher Willi Reinbold sieht das anders. Auch er zollt Steppberger persönlich hohen Respekt für seine Entscheidung: "Diese extreme Belastung muss man erst einmal aushalten." Allerdings betont Reinbold, er habe den starken Eindruck, dass es in Stadtrat und Verwaltung "eine ganze Reihe darauf angelegt" hätten und dass Steppberger "in seiner eigenen Fraktion den ersten Gegner" habe. Außerdem würde sich Reinbold mehr persönliche Entschlussfreudigkeit vom OB wünschen. Er denkt, ein Stadtratsbeschluss wie jener, dass die Sozialwohnungen in der Eichendorffstraße nun nicht wie beim Wettbewerbssieger vorgesehen in Holzbau- sondern in Steinbauweise ausgeführt werden sollen, "obwohl das viel klimaschädlicher ist", wäre mit einem "engagierteren Auftreten des OB anders ausgefallen".

Bei allen politischen Differenz vertraut der SPD-Fraktionssprecher Stefan Schieren darauf, dass Steppberger nun "sicher nicht die Hände in den Schoß legt. Vielleicht wird er uns jetzt sogar alle positiv überraschen", mutmaßt Schieren. Denn nun könne Steppberger "befreit agieren" und müsse nicht auf eine Wiederwahl schielen. Die SPD hat bekanntlich am Mittwoch mit Christian Alberter den ersten Kandidaten zur OB-Wahl verkündet. Den Entschluss des OB, zugunsten der Familie und der Gesundheit nicht mehr anzutreten, nennt Schieren "absolut überzeugend, sehr legitim und sehr respektabel". Da stehe nichts in Zweifel.

Das sieht die CSU-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Gabler-Hofrichter ebenso. Steppbergers ruhige Art sei persönlich sehr angenehm, aber "weniger moderieren und manchmal eine klarere Meinungsäußerung wäre auch nicht schlecht". Angesprochen auf die eigenen Wahlkampfpläne sagt Gabler-Hofrichter, die CSU bleibe bei ihren Plänen und werde spätestens im September ihre OB- und Listenkandidaten präsentieren.

Auch die Grünen bleiben bei ihrem Zeitplan, so Fraktionsvorsitzender Klaus Bittlmayer: Das heißt: Sie halten im Herbst ihre Aufstellungsversammlung, dem greift Bittlmayer nicht vor. Steppberger persönlich zollt Bittlmayer "Respekt und Anerkennung für diesen mutigen Schritt". Er befürchtet nun mit Blick auf Querelen in Stadtrat und Verwaltung allerdings "gewisse negative Gruppenprozesse" im Rathaus.

Da wird die langjährige Stadträtin und quasi Seniorchefin der FW, Eva Gottstein, schon deutlich direkter. Sie prangert die insgesamt für ein kommunales Gremium "sehr harte Parteipolitik" an und nutzt die Presseanfrage außerdem zu einer Generalabrechnung mit Steppbergers Vorgänger, Arnulf Neumeyer (SPD). Steppberger habe 2012 eine "Verwaltung angetroffen, wie sie verkrusteter nicht sein kann", und im Stadtrat einen Alt-OB sitzen, der es auf Konfrontation anlege und dessen Versäumnisse Steppberger aufzuarbeiten gehabt habe. Da hätte man vielleicht öfter Contra geben müssen, bedauert Gottstein selbstkritisch und resümiert schließlich: "Ich habe schon ein schlechtes Gewissen, dass ich einen so jungen Menschen damals in so eine Schlangengrube geworfen habe."