Schier unendlicher "Lügner"-Prozess

11.11.2009 | Stand 03.12.2020, 4:30 Uhr

Stehen zu ihrer Meinung: Peter Villhauer und Harald Zeh bezichtigen MdL Manfred Weiß der Lüge. Deshalb sind sie angeklagt. - Fotos: Luff

Hilpoltstein/Nürnberg (HK) Es hat sich mittlerweile zum Mammutprozess ausgewachsen, das Verfahren, in dem es um die Glaubwürdigkeit von Manfred Weiß aus Roth geht. Hat der CSU-Landtagsabgeordnete gelogen? Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth lichtete sich der Schleier gestern noch nicht.

"Kein Lügner in den Landtag! Stoppt Dr. Weiß!" Das war auf einem Plakat zu lesen, das dessen Initiatoren gleich zweimal im Juli 2008 öffentlichkeitswirksam präsentierten: Einmal vor dem Messezentrum in Nürnberg, wo die CSU ihren Parteitag hielt. Und das andere Mal am Rand eines öffentlichen Gelöbnisses in Heideck. Wegen "Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens" müssen sich nun die Heidecker Peter Villhauer und Harald Zeh vor der 8. Strafkammer des Landgerichts verantworten.
 

Bislang ohne Ergebnis, in zwei Wochen wird die nächste – die sage und schreibe fünfte – Runde vor Gericht eingeläutet. Am 25. November werden Peter Halbig, Reinhard Siegert, Wilfried Schertel, Manfred Ortner und Peter Grimm vom Vorsitzenden Richter Hans Walter Mayer als Zeugen vernommen. Villhauers und Zehs Verteidiger, Klaus Dötsch und Bernd Söhnlein aus Neumarkt, hoffen, mit deren Aussagen belegen zu können, dass der ehemalige CSU-Kreisvorsitzende Manfred Weiß im April 2007 die Unwahrheit gesagt hat – und deshalb die Titulierung als Lügner gerechtfertigt sei.

"Glaubwürdigkeit ist für mich ein ganz hohes Gut", führte Weiß als Zeuge vor Gericht aus. Deshalb habe er den Strafantrag gestellt, nachdem ihn die Polizei von dem "Lügner"-Plakat informiert habe. Er habe es weder in Nürnberg noch in Heideck selbst zu Gesicht bekommen. Er lasse sich nach 30 Jahren als Abgeordneter im Landtag nicht einfach als Lügner bezeichnen.

Dass das auch sein ehemaliger Parteifreund Anton Nagel getan habe, wie Villhauer einwandte, ließ Weiß nicht gelten. Mit diesem habe ihn eine langjährige Freundschaft verbunden, über diese Aussage, die aus persönlicher Kränkung resultiert sei, habe er "den Mantel der Nächstenliebe gedeckt". Das sei nicht als Ungleichbehandlung zu werten, sprang Weiß dem Staatsanwalt Michael Schaffer bei: "Ein Geschädigter darf selbst entscheiden, von wem er sich beleidigt fühlt oder nicht."

Ob er 2007 den 55 Aufnahmekandidaten tatsächlich versprochen habe, dass er sie in die Partei aufnehme, wenn der CSU-Ortsverband dies verweigere, wie von Villhauer behauptet, wollte Richter Mayer wissen. Doch da lavierte sich Weiß um eine endgültige Antwort herum: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Aussage so gefallen ist."

Er schließe nicht aus, dass der eine oder andere Kandidat dies so verstanden habe – doch nur, weil er es wohl so verstehen wollte. Denn laut Satzung habe er gar nicht die Macht besessen, diese Entscheidung zu treffen. Einzig der Kreisvorstand sei zuständig. Die Satzung habe er selbst mit ausgearbeitet, so Weiß. Als Jurist wisse er sehr genau, welche Befugnisse ihm zugestanden hätten.

Indirekt bestätigte Villhauer sogar Weiß’ Aussage. Denn ein weiterer Vorwurf, den er Weiß machte, war, dass dieser ein "faires Aufnahmeverfahren" zugesichert habe, "keine Tricksereien". Was dann aber folgte, eine regelrechte Vernehmung jedes einzelnen Aufnahmekandidaten von einem CSU-Gremium, habe an die Inquisition erinnert. "War das ein faires Verfahren", echauffierte sich Villhauer – wurde aber von Weiß darauf hingewiesen, dass es kein Verfahren, fair oder unfair, hätte geben müssen, wenn er ohnehin allen die Aufnahme in die CSU zugesichert hätte, wie behauptet.

Als Eigentor könnte sich noch herausstellen, dass Villhauer und Zeh darauf verwiesen, dass sie nur zu zweit auf der Anklagebank sitzen. Der Dritte im Bunde, Michael Billmeyer, dagegen nicht. Er war der Aussage eines Polizisten zufolge bei der Demonstration vor dem CSU-Parteitag in Nürnberg als Mitinitiator angemeldet und für ihn erkennbar als einer derjenigen, die für das "Lügner"-Plakat verantwortlich zeichneten.

Der Richter ließ sich aber auf eine Diskussion wegen Ungleichbehandlung erst gar nicht ein: "Sie sitzen hier, weil gegen Sie Anklage erhoben wurde. Das ist Fakt", beschied er knapp. Bei Billmeyer habe die Staatsanwaltschaft eben keine Beteiligung nachweisen können. Auf der Zuhörerbank wurde dagegen vermutet, dass dieser deshalb ungeschoren davon kommen sollte, weil er es – im Gegensatz zu Villhauer – in die CSU geschafft hat. Das eigene Nest wolle man nicht beschmutzen.

Doch Staatsanwalt Schaffer ließ durchblicken, das er eine Anklage Billmeyers prüfen werde. Das dicke Ende könnte also auch für Billmeyer noch kommen. Ebenso wie für Weiß: Ob man ihn ungestraft als Lügner brandmarken darf, ist auch nach vier Gerichtsverhandlungen noch nicht geklärt.