Eichstätt
Schiedsrichter-Neulingslehrgang droht auszufallen

Gruppe Jura-Süd schlägt Alarm und weißt auf akuten Schiedsrichtermangel hin, der den geordneten Spielbetrieb gefährden könnte.

06.09.2019 | Stand 02.12.2020, 13:07 Uhr
Die Teilnehmer der Schiedsrichtergruppe Jura-Süd vor einer Pflichtversammlung. In den monatlichen Treffen werden wichtige Informationen, aktuelle Regeländerungen, Referate und Regeltests zur Weiterbildung in kollegialer Weise besprochen. −Foto: SRG Jura-Süd

Eichstätt (EK) Man stelle sich vor, zwei Fußballmannschaften stehen sich auf einem Sportplatz spielbereit gegenüber, aber es erscheint kein Schiedsrichter, der diesen sportlichen Wettkampf nicht nur anpfeift, sondern auch ordentlich über die Bühne bringt.

Krampfhaft werden die Verantwortlichen beider Teams versuchen, einen vermeintlich geeigneten Sportkameraden irgendwo herbeizuzaubern und diesen dann als "Unparteiischen" einsetzen. Dies ist ein Szenario, dass es in naher Zukunft vielleicht auch auf den Fußballplätzen der Region durchaus (wieder) geben könnte.

Natürlich kann man solchen unliebsamen Überraschungen vorbeugen. Dazu muss man jedoch die aktuellen Probleme um den tatsächlich bereits herrschenden Schiedsrichtermangel erkennen und gemeinsam - also Vereine und Schiedsrichterorganisationen - entgegenwirken.

Die Schiedsrichtergruppe Jura-Süd führte in der Vergangenheit Jahr für Jahr erfolgreich einen Neulingslehrgang durch, um die vom Bayerischen Fußball-Verband organisierten Spiele auch entsprechend mit Unparteiischen besetzen zu können. Doch dieses Jahr droht dieser enorm wichtige Neulingslehrgang auszufallen. Der Grund: Die Mindestteilnehmeranzahl von nur zehn Personen ist noch nicht erreicht. Wir haben uns deshalb mit Gruppenobmann Uwe Wichmann (Nürnberg) und Lehrwart Uli Spitzenpfeil (Westheim) über die offensichtliche Problematik und das dadurch drohende Ungemach unterhalten.

Warum wollen immer weniger Fußballbegeisterte das Amt des Schiedsrichters ausführen?
Uwe Wichmann: Dafür gibt es sicherlich verschiedene Gründe. Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, werden im Alltagsleben immer mehr gefordert, der Stress in Schule und Beruf wird immer mehr. Kaum einer will sich da in seiner wenigen Freizeit dann auch noch ehrenamtlich einbringen. Im Fußball haben damit Vereine und Schiedsrichtergruppen gleichermaßen zu kämpfen, wenn es darum geht, Leute für das Trainer- und Schiedsrichteramt zu gewinnen. Hinzu kommt eine zunehmende Verrohung der Sitten auf unseren Sportplätzen. Der Respekt vor der Autorität Schiedsrichter scheint verloren gegangen zu sein. Manchmal kann man dabei den Eindruck gewinnen, dass vielen Zuschauern das Kritisieren des Schiedsrichters deutlich wichtiger erscheint, als das Anfeuern der eigenen Mannschaft. Hierbei sind verbale Angriffe leider gang und gäbe. Besonders natürlich dann, wenn uns Schiedsrichtern ein Fehler unterläuft. Wenn aber im Vergleich dazu der eigene Spieler dreimal alleine vor dem Torwart stand und den Ball nie versenkte, ist der Aufschrei darüber deutlich geringer. Diese teilweise aggressive Stimmung schreckt natürlich ab.
Uli Spitzenpfeil: Ich kann den Ausführungen von Uwe nur zustimmen. Die Aggression, die dem Schiedsrichter bei kleinsten Fehlern entgegengebracht wird, ist wohl das größte Problem. Der Zuschauer, der von außen den Schiedsrichter verbal attackiert, sieht leider meist nicht, dass seine eigene Mannschaft deutlich mehr Fehler macht. Er bewertet diese aber ganz anders. Solange dies der Fall ist, wird dieses Problem nicht kleiner. Außerdem ist das Amt des Schiedsrichters fälschlicherweise immer noch sehr verpönt. Aussagen wie, "man wird nur Schiedsrichter, da man selbst nicht Fußballspielen kann", gelten definitiv nicht mehr. Auch bei den Schiedsrichtern gibt es eine ganze Reihe guter Fußballer. In unserer Gruppe haben wir Kollegen, die in der Bezirksliga spielen, weshalb wir auch der amtierende Bezirksmeister der zwölf mittelfränkischen Schiedsrichtergruppen sind. Und auch im Profibereich gibt es einige Spieler, die sehr erfolgreich pfeifen. Bestes Beispiel ist der gebürtige Amberger René Vollath, der aktuell in der 3. Liga beim KFC Uerdingen spielt. Es ist also keinesfalls unmöglich guter Schiedsrichter und guter Fußballer zu sein. Wie wollen Sie und andere Verantwortliche in den Schiedsrichtergruppen aber dieses Problem lösen?
Wichmann: Wir haben auf allen Spielgruppentagungen den bestehenden Schiedsrichtermangel offen angesprochen. Schon heute können wir nicht mehr alle Fußballspiele mit Schiedsrichtern besetzen. Und es wird noch schlimmer werden, denn unsere älteren Kameraden werden sich irgendwann zurückziehen. Zum Glück gibt es in unseren Spielklassen keine stringente Altersgrenzen für Schiedsrichter. Ohne unseren alten Kameraden wäre schon jetzt der Spielbetrieb im Herren-, Frauen- und Jugendbereich nicht realisierbar. Um für die Zukunft einigermaßen gerüstet zu sein, müssen wir zusammen mit unseren Vereinen Schiedsrichternachwuchs finden und überzeugen. Deshalb gehen wir auch offensiv auf die Vereine zu, schreiben diese an und laden ihre Kandidaten zu unseren jährlich stattfindenden Neulingslehrgängen ein.
Spitzenpfeil: Auch über die Sozialen Medien versuchen wir das Amt des Schiedsrichters entsprechend positiv dazustellen. Zwar dürfen wir durch die Verschärfung der Datenschutz-Grundverordnung keine aktive Werbung auf unserer äußerst erfolgreichen Facebook-Seite betreiben, doch die rund 500 Likes sind ein guter Multiplikator für diesen Job. Übrigens: Unsere Facebook-Seite zählt zu den fünf erfolgreichsten Seiten von Schiedsrichtergruppen in ganz Deutschland. In der Vergangenheit konnten wir über diese Kanäle tatsächlich Teilnehmer für unsere Neulingslehrgänge gewinnen. Wir haben dort auch weitere Vorteile der Schiedsrichtertätigkeit geschildert.

Welche Vorteile sind das?
Spitzenpfeil: Bekannt ist, dass Schiedsrichter zu allen Fußballspielen im Geltungsbereich des DFB freien Eintritt haben. Dabei ist es egal, ob du ein A-Klassen-, Regionalliga- oder Bundesligaspiel anschauen möchtest. Zudem erhalten Schiedsrichter auch eine angemessene Fahrtkostenentschädigung und Spesen. So kann sich zum Beispiel ein Schüler oder Student sein Taschengeld gehörig aufbessern. Je nach Anzahl der Einsätze können dies schon 200 Euro im Monat werden. Sehr wichtig erscheint mir aber die Tatsache, dass man innerhalb der Schiedsrichtergruppe neue Freunde findet. Vielleicht der größte Vorteil ist jedoch die Entwicklung oder Stärkung der eigenen Persönlichkeit. Hier muss man permanent in den Spielleitungen Entscheidungen treffen, sich behaupten und durchsetzen. Bei durchaus möglichen Weiterbildungsmaßnahmen wird man auch rhetorisch und methodisch geschult und gestärkt. Diese Vorteile wirken sich auch auf Beruf und Schule sehr positiv aus.

Ist die zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Schiedsrichtern auch für den Rückgang der Teilnehmer an den Neulingslehrgängen verantwortlich?
Wichmann: Das ist sicher nicht der alleinige Grund dafür. Aber sagen wir einmal so, dass gewisse Vorfälle nicht gerade förderlich sind. Schon vor zehn, 15 oder 20 Jahren gab es Ausschreitungen gegen Schiedsrichter, doch damals wurde von den Medien nicht so ausführlich und vor allem so schnell darüber berichtet. In unserer heutigen medialen Welt, wo sich Vorfälle über das Internet in Windeseile verbreiten und kommentiert werden, wird es immer schwieriger Schiedsrichter zu schützen und zu stützen.

Wie macht sich dieses Problem im Kreis Neumarkt/Jura bemerkbar?
Wichmann: Uns fehlen an allen Ecken und Enden die Schiedsrichter. Meine Einteiler machen einen grandiosen Job. Oftmals zaubern sie regelrecht, um mit diesem wenigen Personal, wenigstens die Spiele der ersten Mannschaften besetzen zu können. Jedes Wochenende sind die Einteilungen so knapp bemessen, dass wir buchstäblich ins Schlingern kommen, wenn kurzfristig Kameraden aus guten Gründen ausfallen. Es wäre ein Traum, wenn wir für die zu besetzenden Spiele noch eine gewisse Reserve hätten. Aber hier müssten die Neulingslehrgänge schon 20 oder mehr neue Kameraden jährlich bringen.
Spitzenpfeil: Sollte der anstehende Neulingslehrgang wirklich ausfallen, dann müssen wir uns alle darauf einstellen, dass noch mehr Spiele nicht mit geprüften Schiedsrichtern besetzt werden. Dies kann sich bis in den A-Klassen bemerkbar machen. Kritik darf dann aber keine aufkommen, denn es wurden alle Vereine auf diese mögliche Problematik hingewiesen. Der diesjährige Neulingslehrgang der Gruppe Jura-Süd soll am 21. September beginnen. Wie soll er ablaufen und was erhoffen Sie sich davon?
Spitzenpfeil: Wir bieten einen Lehrgang an, der sich moderat über zwei Wochenenden, jeweils samstags und sonntags, erstrecken wird. Stattfinden soll dieser Lehrgang im "Gasthaus Rockenstube" in Emetzheim. Dabei werden den Teilnehmern die wichtigsten Regeln vorgestellt, ihnen gezeigt, wie man einen elektronischen Spielberichtsbogen richtig ausfüllt und wie man eine Meldung an das Sportgericht nach einer Roten Karte verfasst. Außerdem wird den Teilnehmern in einem Praxisteil gezeigt, wie man sich während einer Spielleitung auf dem Sportplatz verhält und am günstigsten bewegt. In Eigenregie müssen die Anwärter auch über ein Online-Portal gängige Regelfragen beantworten und sich so auf eine kleine Prüfung vorbereiten. Am letzten Lehrgangstag, den 29. September muss jeder Teilnehmer neben der angesprochenen theoretischen Prüfung - 30 Fragen in 45 Minuten - auch 1000 Meter in acht Minuten laufen. Damit diese kurze Ausbildung überhaupt starten kann, müssen sich zehn Personen ab 14 Jahren anmelden. Willkommen sind natürlich auch Frauen und Mädchen. Derzeit liegen uns leider nur sechs Anmeldungen vor.

In welchen Ligen kommen die Schiedsrichter nach erfolgreichem Lehrgang zum Einsatz?
Wichmann: Alle Neulinge werden zunächst in den Basisklassen, also im unteren Jugendbereich eingesetzt. Dabei werden sie in ihren ersten Spielleitungen von erfahrenen Schiedsrichterkollegen betreut. Diese helfen, sich schnell zurechtzufinden, Sicherheit zu finden und geben auch wertvolle Tipps für eine erfolgreiche Spielleitung.

Nehmen wir einmal an, dass ein Neuling sich von Beginn an in seinem neuen Hobby gut zurechtfindet und starke Leistungen zeigt. Welche Förder- und Aufstiegsmöglichkeiten hat er dann?
Wichmann: Sollten die gezeigten Leistungen sowie die Einstellung stimmen, dann kann man relativ schnell weiterkommen. Zunächst erhält der Neuling Spielleitungen im Herrenbereich. Sind auch dort die Leistungen gut, dann beraten wir zunächst gruppenintern, ob wir den Kandidaten für Leistungslehrgänge melden. Junge Schiedsrichter können zudem in den Förderkader der Gruppe oder des Bezirks aufgenommen werden. Grundsätzlich liegt es aber an jedem selbst, wie intensiv er die Tätigkeit des Schiedsrichters betreiben möchte. Möglich ist aber auch, dass man nur Spiele pfeift, wenn man Zeit hat. Hier versuchen die Einteiler natürlich schon, die privaten und beruflichen Wünsche zu berücksichtigen. Das heißt auch, dass die Vereine keine aktiven Spieler oder Trainer ihrer Mannschaften verlieren. Es gibt einige Kameraden, die samstags als Schiedsrichter und sonntags als Spieler oder Trainer im Einsatz sind.

Was muss der Interessierte jetzt machen, um am Neulingslehrgang teilnehmen zu können?
Wichmann: Grundsätzlich muss man Mitglied in einem Verein des Bayerischen Fußball-Verbandes sein und sollte natürlich Interesse am Fußball haben. Das Mindestalter liegt bei 14 Jahren, wobei es hier auch Ausnahmen geben kann. Eine Anmeldung ist entweder an unseren Lehrwart Uli Spitzenpfeil oder an Beisitzer Jonas Lux zu richten. Die Kontaktdaten sind auf unserer Homepage unter www. jura-sued. de unter dem Navigationspunkt "Ausschuss" zu erfahren. Dort gibt es auch weitere Infos rund um die interessante und verantwortungsvolle Aufgabe des Schiedsrichters zu erfahren.

Dieses Gespräch
führte Manni Riedl