Meinung
Scheuer und die Schiene

Kommentar von Christian Tamm

17.04.2019 | Stand 02.12.2020, 14:10 Uhr
Verkehrsminister Scheuer möchte die Mehrwertsteuer auf Bahn-Tickets von 19 auf 7 Prozent senken. −Foto: Foto: Monika Skolimowska

Seit Wochen muss sich Andreas Scheuer den Vorwurf gefallen lassen, in puncto Emissionsreduktion mit angezogener Handbremse zu fahren.

Tatsächlich ist der CSU-Politiker bisher nicht als Streiter für den Klimaschutz aufgefallen, sondern eher als Advokat der Autobranche. Seine auf Video gebannten Spritztouren auf einem E-Scooter durch sein Ministerium haben das nicht ändern können. Daran, dass ein Verkehrsminister die wichtigste deutsche Industrie im Blick hat, ist natürlich nichts auszusetzen. Daran, dass er andere Bereiche seines Aufgabenfeldes wie den Schienenverkehr recht stiefmütterlich behandelt, schon.

Jetzt will der Minister raus aus der Kritik und Dampf machen bei der Stärkung der Bahn. Kein Wunder, drängt doch die Europawahl mit Macht in den politischen Kalender - und die CSU will bekanntlich mit Manfred Weber am Steuer die EU auf neue Pfade lenken. Scheuer ist ein bekennender Feind von Verboten und will den Menschen nicht über Zwänge das Auto madig machen. So zaubert der Passauer einen Vorschlag aus dem Hut, mit dem er auch bei Wählern anderer Parteien punkten will: Die Mehrwertsteuer auf Bahn-Tickets im Fernverkehr könnte von 19 auf dann 7 Prozent gesenkt werden.

Die Bahn soll für mehr Menschen zum bevorzugten Mittel der Mobilität gemacht werden. In der Tat ist die DB gerade auf den Langstrecken und besonders im schicken ICE nicht die kostengünstige Alternative, die sie sein müsste. Dabei könnte der Schienenverkehr ein wesentlicher Faktor beim deutschen Klimaschutzbeitrag sein.

Scheuers Vorstoß ist also nicht falsch. Einzig, seinen Kritikern wird er nicht ausreichen. Tatsächlich steht zu befürchten, dass der Effekt gering ausfällt. Wer sich ein im Stau stehendes Auto leisten kann oder gar will, wartet nicht auf niedrigere Bahnpreise. Auch ist fraglich, ob sich auf diese Weise Menschen, die von der Bahn auf den gnadenlos billigen Fernbus umgestiegen sind, zurückholen lassen. Außerdem wird das Vorhaben den Staat Hunderte Millionen Euro kosten. Und da wird Kassenwart und SPD-Politiker Olaf Scholz die Ohren spitzen.

Die Bahn ist überdies selbst gefordert, die Verkehrswende mit zu gestalten - und deshalb für die Zukunft ins Netz zu investieren. Doch dafür muss der Staatskonzern in den kommenden Jahren natürlich Geld verdienen. Nicht ausgeschlossen, dass die Konzernlenker mögliche steuerliche Entlastungen der Kunden zunichte machen und kräftig an der Preisschraube drehen. Dann käme von Scheuers durchaus berechtigtem Debattenanstoß nichts beim Verbraucher an.