Roth
Schenkelklopfer sind Trumpf

04.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:32 Uhr

Die Künstler des Abends bei der Barockgartenlesung (von links): Robert Unterburger, Günter Baum, Katharina Storck-Suvenbeck, Thomas Rüger und Damir Vrdoljak“ - Foto: Friedrich

Roth (HK) Der verschwundene Landrat! Was für eine Idee! Und dass Herbert Eckstein dann tatsächlich bei der Premiere der diesjährigen Barockgartenlesung der Familie Feuerlein in Roth überfällig war, verlieh der literarischen Fiktion noch eine ganz besondere Note.

Letztlich fand er dann aber doch in das idyllische Gärtchen der Familie Feuerlein – und verlebte einen sehr humorigen Abend. Auch wenn viele Witze auf seine Kosten gingen.
 

Etwas kühl war’s ja schon in diesem Jahr. Die Zeiten der Sonnengarantie im Monat Juli gehört wohl der Vergangenheit an. Doch in dem liebevoll gepflegten, verspielten Barockgarten gleich neben der Gredl-Bahn sorgten Rockgitarre, Autorenvielfalt und kulinarische Genüsse für die gewohnt angenehme und gemütliche Atmosphäre. Neu war, dass die vier Mitglieder der Autorengruppe „Schreibstolz“ nicht zu den einzelnen Worten eines vorher bestimmten Mottos ihre Texte verfassten, nein, allen war die gleiche Schreibaufgabe gestellt: „Der Landrat ist verschwunden!“

Sehr interessant und ideenreich waren die verschlungenen Wege des Autorenquartetts, auf denen sie sich den Hintergründen dieser Sensation näherten. Fetzig und rockig umrahmte Damir Vrdoljak diese literarischen Recherchebemühungen.

Als erster Vorleser reaktivierte Günter Baum seine Rother Detektivin Ingeborg Kanter, die bereits in den letzten zwei Anthologien der Autorengruppe „Sonderzeit“ ihren Spürsinn für fränkische Seelenabgründe unter Beweis stellte. Dabei legt er im Falle des abwesenden Landrats den krimiuntypischen Schwerpunkt auf eine eher reduzierte Handlung, die dem eigentlichen Geheimnis keinesfalls auf die Spur zu kommen versucht. Dafür entwickelt Baum die Charakterisierung seiner Protagonistin schlüssig weiter.

Thomas Rüger schwelgte im faszinierenden Bereich der Verschwörungstheorien. Neben einer verbalen Breitseite auf die Provinzialität von Roth und Umgebung – vom Publikum mit wohlwollender Entrüstung aufgenommen und ertragen – konstruiert er eine geschickte Mediensatire.

Die meisten Lacher hatte Robert Unterburger auf seiner Seite. Mit bewusster Konzentration auf deftige Ausdruckskraft und Schenkelklopfer-Witz berichtete er vom quirligen Ghostwriter des Landrats, der mit dem Abtauchen seines Dienstherren auch die Grundlage seiner Tätigkeit zu verlieren droht.

Last but not least eroberte Katharina Storck-Duvenbeck, Rother Altmeisterin in Sachen Erotik, den Lesethron. Eine eingangs imaginierte Affäre könnte in ihrer Story vielleicht das Verschwinden des Landrats erklären – würde sich die liebesberauschte Unterstellung eben nicht nur als reines Hirngespinst der ganz im Zeichen der Liebe stehenden Protagonistin herausstellen. Der Wunsch als Vater des lustvollen Gedankens.

Gemeinsam ist allen vier Autoren die souveräne Vortragsweise. Mit viel Gespür fürs Publikum und gelungener Rezitationskunst wurden die Hörer bestens unterhalten. Hohe und dichte Erzählkunst stand hingegen nicht auf dem Programm – wurde wohl auch kaum von den zahlreichen Besuchern erwartet. Die Schriftsteller kamen schnell, knackig und ohne großartig ausgestaltende Umschweife zur Sache. Kernig und zügig trieb man (und frau) den Handlungsstrang voran. Gute und schnelle Verständlichkeit waren Trumpf. Dass die Autoren ihr Metier auch anders, feiner und differenzierter, verstehen, brachten sie mehr in den Zugabe-Texten zum Ausdruck.

\tEin gewisses Ungleichgewicht mag sich in dieser Beziehung anbahnen: Dem fantastischen Ambiente der Barockgartenlesung, dieser unvergleichlichen Kombination aus Atmosphäre und kulinarischem Angebot, ist ein gehobener und fester Platz in der hiesigen Veranstaltungsszene sicher. Doch kommt man nicht umhin festzustellen, dass die literarischen Bretter, die hier gebohrt werden, tendenziell allmählich dünner werden.

Wie bei jeder Ausformung von Kunstdarbietung gilt es aber, die Balance aus Form und Inhalt nicht zu vernachlässigen. Allein die Exklusivität des Veranstaltungsortes genügt noch nicht für die Qualitätsgarantie einer Lesung. Ein germanistisches Hauptseminar möchte man sicherlich nicht im Barockgarten der Feuerleins installieren – aber das sprachliche, das literarische Können sollte nicht zu sehr aus dem Fokus geraten.

\tHohe Erwartungen in dieser Hinsicht weckt die Präsentation der neuesten, inzwischen bereits dritten Zusammenarbeit von Katharina Storck-Duvenbeck und Günter Baum am 28. Juli im Barockgarten (Einlass 19 Uhr, Beginn 20 Uhr). Denn bei dem Werk „Die Abweichung“ versucht sich das Autorengespann an einer der literarisch anspruchsvollsten Fingerübungen, der Parabel. Damit, so steht zu hoffen, kann die Gewichtung zwischen dem Begriffspaar Barockgarten und Lesung wieder etwas angemessener ins Gleichgewicht kommen.