"Schauplatz Fassadenkunst"

15.09.2011 | Stand 03.12.2020, 2:24 Uhr

Wandmalereien aus der Region: Eine der schönsten Fresken stammt von Otto Michael Schmitt und zeigt Philipp Apian. Es wurde im Jahr 1938 an einem früheren Postgebäude an der Weningstraße in Ingolstadt aufgebracht. - Foto: Steinbeißer

Kinding/Manching (DK) Nach seinen Büchern über Ingolstädter Maler im 19. und 20. Jahrhundert und seiner Chronik über den Ingolstädter Konkordiaweiher hat Karl Heinz Steinbeißer jetzt einen Bildband über Wandmalereien herausgegeben. Die aktuelle Bestandsaufnahme geht über die Region hinaus.

Neugierig geworden ist Steinbeißer durch sein Buch über die Ingolstädter Maler und Bildhauer im 19. und 20. Jahrhundert. Da ist ihm nämlich aufgefallen, dass der eine oder andere Künstler sich nicht nur auf der Leinwand, sondern auch auf so mancher Hausfassade verewigt hat. Also machte sich der Ingolstädter auf die Suche und stellte zwei Dinge fest: „Auf dem einen oder anderen Gebäude, das durchaus an exponierter Stelle steht, befindet sich seit Jahrzehnten eine Wandmalerei, die ich bisher noch nie bewusst wahrgenommen habe“, räumt Steinbeißer freimütig ein. Und das zweite: Viele Gemälde an Profanbauten (und nur um die geht es ihm) sind im Zuge von Sanierungen schon verschwunden.

Querschnitt

Steinbeißer erweiterte daraufhin seinen Aktionsradius, ging in die Holledau, nach Niederbayern, vor allem Siegenburg, nach Donauwörth gar und ins Altmühltal. Das Ergebnis ist ein gut 120 Seiten starkes Buch mit fast 100 Farbtafeln. „Das ist natürlich kein vollständiges Bestandsverzeichnis“, warnt Steinbeißer vor allzu großen Erwartungen. Zum einen ist es praktisch unmöglich, alle Bilder aufzuspüren. Andere sind bereits stark verwittert oder durch Bäume verdeckt. „Also kann das Werk nur einen Querschnitt aus den Arbeiten im öffentlichen Raum zeigen“, lautet sein Fazit.

Und das bedeutet, dass Gemälde unterschiedlicher Technik und Qualität erfasst sind. In der Tat könnte die Palette gar nicht unterschiedlicher sein. Da wären – um nur einige Beispiele herauszugreifen – die dem bäuerlichen Leben entlehnten Motive der Fassadenmalerin Anna Lang in Enkering oder Kinding, die Darstellung der sieben Künste am Wohnhaus und Atelier des Malers Thomas Rödl in Neuburg, die Arbeiten des Malermeisters Eduard Krumpholz in Manchings Ortsteilen oder die historische Ansicht Vohburgs am Rathaus, um nur ein paar zu nennen.

Groß ist die Auswahl in Ingolstadt: Da gibt es – um nur einige Bilder exemplarisch aufzuführen – beispielsweise die Mariendarstellung des Kirchenmalers Georg Löhnert im Eckhaus Donaustraße/Am Bachl, das bekannte Mohrenbild an der Schleifmühle, das Mosaik mit der Justitia an einem Haus an der Dollstraße, der träumende Eisenbahner der Frescomalerin Luise Klempt am ehemaligen Bundesbahn-Übernachtungsheim, die vielen Arbeiten von Erich Thorsten an Häusern von Privatleuten und von Wohnungsbaugesellschaften oder die sieben Schwaben des bekannten Ingolstädter Malers Johannes Eppelein am früheren Schwabenbräu. Das wohl prächtigste Fresco Ingolstadts befindet sich aber – weitgehend unbekannt – an einem ehemaligen Postgebäude an der Weningstraße: Der Maler Otto Michael Schmitt hat dort 1938 den Ingolstädter Mathematiker und Geografen Philipp Apian verewigt.

Steinbeißer lässt den Leser mit der Bildauswahl aber nicht alleine. Er geht in der Einleitung kurz auf Motive und Geschichte der Wandmalerei ein und stellt hinsichtlich der geografischen Verbreitung fest, dass sie in der Hallertau noch wesentlich häufiger anzutreffen ist als im Altmühltal. Im Anhang erfährt der Leser noch das Wesentliche über die verschiedenen Techniken wie Fresko, Secco, Sgraffito oder Bandeisenreliefs.

Natürlich kommen auch die Künstler nicht zu kurz. In wenigen Zeilen erfährt der Leser das Wichtigste über deren Leben und Werk. Bekannte Namen sind darunter, wie etwa der schon erwähnte Johannes Eppelein, der Aresinger Michael Lutz oder der Vohburger Konrad Schneider, aber auch unbekanntere wie der gebürtige Ingolstädter Erich Thorsten oder zeitgenössische Maler wie der Pfaffenhofener Graffitikünstler Sebastian Daschner.

Nicht signiert

In nicht wenigen Fällen war es für Steinbeißer gar nicht so einfach, den jeweiligen Maler zu ermitteln. Viele Fassadenbilder sind gar nicht signiert. „Mitunter waren die einzigen zur Verfügung stehenden Quellen lediglich mündliche Informationen von Zeitzeugen“, schreibt Steinbeißer in der Einleitung zu seinem Band.

„Schauplatz Fassadenkunst“ (so der Titel) ist ein Buch für alle, die ihre Heimat mit Interesse und offenen Augen betrachten. Die schon immer wissen wollten, wann so manche Wandmalerei entstanden ist und wer der Künstler war. Es ist ein Buch zum Blättern, das neugierig macht, aber den Leser nicht erschlägt mit Kunsttheorie und geballtem Wissen. Und es ist zugleich eine wichtige Momentaufnahme: Denn in einigen Jahren werden einige der Bilder möglicherweise schon verschwunden sein.

Karl Heinz Steinbeißer: Schauplatz Fassadenkunst; Ingolstadt 2011, Antiquariatsverlag Steinbeißer; ISBN 978-3-9812798-4-9; 29 Euro.