Aichach
"Saugefährliche Mitfahraktion"

Radler hängt sich an Auto an - Nun muss der Fahrer eine Geldstrafe zahlen und erhält ein Fahrverbot

05.05.2021 | Stand 23.09.2023, 18:24 Uhr

Aichach - Eine dumme Idee erkennt man meist an den Folgen, die sie hat.

Im Fall zweier junger Männer endete ein Besuch am Radersdorfer Badesee im Juli vergangenen Jahres beim einen mit Schürfwunden, blauen Flecken und bleibenden Narben, beim zweiten mit einer Geldstrafe über 1200 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot. Diese Strafe sah Richter Axel Hellriegel am Aichacher Amtsgericht für den Vorfall im Juli 2020 als angemessen an.

Worum es ging? An einem lauen Samstagabend im Sommer vergangenen Jahres feiern am Radersdorfer Badesee mehrere junge Leute. Es geht auf 23 Uhr zu, dann muss es für einen heute 18-Jährigen plötzlich schnell gehen, er muss nach Hause. Also kommt er auf die nicht besonders kluge Idee, sich mit seinem Fahrrad am Auto seines Kumpels einzuhängen, so will er sich in den nächsten Ort ziehen lassen. Der junge Mann klammert sich also im offenen Seitenfenster ein, es geht durch einen Kreisverkehr, anschließend über eine Kreisstraße Richtung Inchenhofen. Etwa auf halber Strecke dorthin wird es dem Freund im Auto allerdings zu bunt, laut Staatsanwaltschaft beschleunigt er, macht einen Schlenker und der Radler stürzt schließlich auf die Straße. Zu allem Überfluss kommt den beiden jungen Männern auf der schlecht beleuchteten Straße auch noch ein Fahrzeug mit zwei Frauen, Mutter und Tochter, entgegen.

Wie der ganze Sachverhalt nun zu bewerten sei, im Raum standen fahrlässige Körperverletzung und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, darüber wurde jüngst am Amtsgericht Aichach verhandelt. Vor dem Kadi stand der 22-jährige Autolenker, er stammt aus Augsburg. Für die Anwältin des Angeklagten, Alexandra Gutmeyr, war die Sache klar: Ihr Mandant habe den Radlfahrer, einen heute 18-Jährigen aus dem südlichen Landkreis Aichach-Friedberg, mehrmals aufgefordert, er solle loslassen. Ihn treffe also keine Schuld.

Um festzustellen, was wirklich Anfang Juni 2020 auf der Kreisstraße zwischen Radersdorf und Inchenhofen passiert ist, wurden zwei Zeugen gehört. Der Geschädigte selbst schilderte den Vorfall so: Er wollte pünktlich zu Hause sein, hängte sich deshalb an das Auto seines Freundes an. Der musste zwar mehrfach überzeugt werden, hielt aber auch nicht an, um die Sache auf diese Weise zu beenden. In einer kleinen Kurve kam den beiden dann ein Fahrzeug entgegen, der Lenker des Mountainbikes verdrehte sich, und schon lag der 18-Jährige am Boden. Schwerverletzt sei er nicht gewesen. Das habe er auch der Frau so gesagt, die ihnen entgegengefahren war.

Wie es dann weiterging? Ohne Namen oder Adresse zu nennen, packte der 22-jährige Autofahrer seinen lädierten Freund ins Fahrzeug und fuhr in nach Hause. Vermutlich wäre alles ohne Folgen geblieben, hätten die Frauen im zweiten Fahrzeug nicht die Polizei verständigt.

Die alarmierten Beamten trafen den Radler daheim an, brachten ihn ins Krankenhaus und stellten fest, dass der junge Mann alkoholisiert war. Auch die Identität des Autofahrers war schnell geklärt, wie einer der Beamten vor Gericht aussagte. Staatsanwältin Hatice Yildirim reichten die Aussagen der beiden Zeugen aus, um einen hinreichenden Tatverdacht zu bestätigen. Sie forderte in ihrem Plädoyer für die fahrlässige Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort eine Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen in Höhe von 40 Euro sowie ein dreimonatiges Fahrverbot. Der Anwältin erschien das viel zu hoch, schließlich sei nichts "hoch Dramatisches" passiert. Der Radlfahrer hätte für seinen Fehler gebüßt und damit gut. Sie hielt eine Geldstrafe von 600 Euro für ausreichend, von einem Fahrverbot bat sie abzusehen.

Das letzte Wort hatte Richter Axel Hellriegel. Er stellte fest, die Aktion, zumal bei Nacht, sei "saugefährlich" gewesen. Der Angeklagte stand zwar unter einer gewissen Drucksituation, dennoch reiche es aus, wenn man einen anderen auch nur kurz mit dem Auto neben sich herzieht. Er hätte einfach anhalten können. Deshalb die Geldstrafe und das einmonatige Fahrverbot.

SZ


Thomas Winter