Greding/Thalmässing
Sarg, Urne oder Baumgrab?

Zu Allerseelen gedenken Katholiken der Verstorbenen - Trauer- und Bestattungskultur im Wandel

27.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:17 Uhr
Herbstlicher Nebel über dem Friedhof in Greding: An Allerseelen wird in der römisch-katholischen Kirche der Verstorbenen gedacht. An diesem Tag, oder auch schon vorher, an Allerheiligen, schmücken Angehörige die Gräber. −Foto: Steimle

Greding/Thalmässing (HK) Für diesen Tag gibt es feste Rituale: Den Friedhof besuchen, das Grab mit Tannenzweigen schmücken und ein Licht aufstellen.

An Allerseelen gedenken Katholiken der Verstorbenen. Doch auch die Trauer- und Bestattungskultur verändert sich stetig und mit ihr der Charakter der Friedhöfe.

 

 

"Es wird besonders denen gedacht, die keine Verwandten mehr haben."

Richard Herrmann

 

 

Zuerst den Heiligen, dann den Toten: An Allerseelen, einen Tag nach Allerheiligen, gedenken Katholiken traditionell ihrer Angehörigen. Denn die Seelen der Verstorbenen, die noch im Fegefeuer geläutert werden, bedürfen beim Aufstieg in den Himmel der Hilfe der Lebenden, erklärt Pfarrer Richard Herrmann den Glauben. "Kein Mensch ist ohne Schuld und Sünde", um also erlöst zu werden, müssen die Seelen durch das "Purgatorium", den Ort der Reinigung. Doch nicht nur für Familienmitglieder und Freunde soll an Allerseelen gebetet werden: "Es wird besonders denen gedacht, die keine Verwandten mehr haben", sagt Pfarrer Herrmann.

Es habe sich eingebürgert, dass viele Menschen schon am Tag vorher, an Allerheiligen nachmittags auf den Friedhof gehen. "Ich denke, das hat mit der veränderten beruflichen Situation vieler Leute zu tun", sagt Herrmann, Allerheiligen sei nun mal ein gesetzlicher Feiertag, an dem man Zeit für das Schmücken eines Grabes habe. Die Erfahrung, dass die Tage verwechselt werden, habe er, zumindest hier in der Region, nicht gemacht.

In Greding werden die Friedhöfe von der Stadt betreut, um die Arbeiten kümmert sich der Bauhof. Wie auch in anderen Städten wird sich der Charakter der Friedhöfe langsam wandeln. Denn immer mehr Verstorbene werden in einer Urne bestattet. So gibt es seit 2015 erstmals mehr Urnen- als Erdbestattungen, sagt Martina Wolfsteiner, die im Rathaus für das Friedhofs- und Bestattungswesen zuständig ist. "Sie sind nun knapp Vorreiter." 2014 habe es 37 Beerdigungen gegeben, damals waren es noch 20 Erd- und 17 Feuerbestattungen. 2015 standen 15 Sarggräbern 16 Urnen gegenüber. Ein Jahr später lag diese Form noch weiter vorne, für 16 Beisetzungen wurde das Behältnis gewählt, für zwölf Personen die Erdbestattung. Vermutlich ist auch entscheidend, dass die Kosten einer Urnenbestattung in der Regel etwas geringer sind, da die Grabstelle kleiner ausfällt.

Auch Sabine Mayinger vom Bestattungsunternehmen bestätigt den Trend hin zur Feuerbestattung. "Urnenbegräbnisse nehmen immer mehr zu, ich würde schätzen, dass etwa 50 Prozent der Leute sich dafür entscheiden. Meist geht es darum, die Grabpflege einfacher zu gestalten." Auch das Behältnis selbst kann Raum für Individualität oder Gestaltung lassen. "Ein Beispiel wäre ein Fußballfan, der das Emblem seines Lieblingsvereins auf der Urne abgebildet haben möchte", erklärt Mayinger.

Selbst ausgesuchte Lieder, die während der Trauerzeremonie gespielt werden, werden immer öfter gewünscht. "Außerdem sind die Trauerredner im Kommen", sagt sie, etwa bei Menschen, die weder der evangelischen noch der katholischen Kirche angehört haben. Eine Entwicklung, die sich wohl fortsetzen wird: "Wenn zum Beispiel ein 20-Jähriger stirbt, wird öfter ein freier Redner gewählt als bei jemand Älterem."

"Meist geht es darum, die Grabpflege einfacher zu gestalten."

Sabine Mayinger

 

Einen anderen Trend macht Greding bislang aber nicht mit: große Grabplatten, die statt Pflanzen und einem aufrecht stehenden Stein oder Kreuz auf das Grab gelegt werden. "Man kann nicht sagen, dass es das vermehrt gibt", sagt Wolfsteiner. Solche Ruhestätten sind pflegeärmer und darum bei Leuten beliebt, deren Verwandte weiter entfernt leben. Auch in Thalmässing kann man nicht davon sprechen, dass fast nur noch Platten statt Grabsteinen zu finden sind. "Es sind nur wenige, höchstens drei oder vier", sagt Elfriede Pfefferle vom Zentralen Pfarrbüro, dafür gibt es aber einen triftigen Grund. "Weitere erlauben die geologischen Verhältnisse nicht", sagt sie, "darum werden keine neuen genehmigt, wenn dann sind nur Teilplatten möglich." "Schuld" ist die starke Lehmbildung. Ähnlich wie in Greding überwiegen etwa seit 2014 die Urnenbestattungen, 2015 sogar recht deutlich: Zwölf Aschebehälter stehen drei Särgen gegenüber. In diesem Jahr sind es bislang beispielsweise sechs Urnen und eine Erdbestattung auf St. Gotthard. Wer in Greding nicht mehr in der Lage ist, ein Grab zu pflegen oder weit weg wohnt, hat auch die Möglichkeit, die Urnenwand für den Verstorbenen zu wählen. Sie wurde im Juli 2015 aufgestellt. Eine weitere Möglichkeit, Menschen zur letzten Ruhe zu betten, wird es vermutlich ab Mitte 2018 in Greding geben. Der Stadtrat hat Baumgräber erlaubt. Zunächst um einen Baum herum sollen zwölf anonyme Ruhestätten angelegt werden. "Auch wir haben immer mehr Anfragen bekommen", sagt Mayinger, die Bestattungsform sei gewünscht bei den Kunden. Etwas anderes mag zwar gewünscht sein, ist aber noch "Zukunftsmusik": Die Weltraumbestattung.

Noch nicht lange gibt es die Trauerinseln auf dem Friedhof St. Michael in Thalmässing. Bisher habe sie darüber von den Leuten nur Positives gehört, sagt Pfefferle.

Beim Gang auf den Friedhof schmücken viele Besucher die Gräber ihrer Nahstehenden. Im Blumen- und Geschenkladen Gänseblümchen in Thalmässing werden nicht nur fertige Gestecke angeboten, man kann auch eigene Gegenstände mitbringen und sich das Ganze nach den eigenen Wünschen gestalten lassen. Letzteres passiere vereinzelt, "die Leute bringen Materialien aus dem Vorjahr, die noch gut sind, vorbei", sagt Ladeninhaberin Beate Beck. Wichtiger als Allerseelen ist im mehrheitlich evangelischen Thalmässing der Totensonntag Ende November. Dass Supermärkte und Discounter mittlerweile auch Grabgestecke im Angebot haben, bedeutet für den Laden keine Konkurrenz. "Ich denke, das ist eine ganz andere Kundschaft. Wer Qualität und Individualität haben möchte, geht in ein Fachgeschäft", sagt Beck.

An diesem nebeligen Morgen im Oktober sind auf dem Friedhof St. Martin nur wenige Leute unterwegs. Eine Frau bringt Tannenzweige, eine andere recht das Laub zwischen den Kieselwegen. Eine Touristin aus Freudenstadt möchte die Kirche besichtigen, ein alter Mann läuft, ein Gebetbuch vor sich, langsam an den Gräbern vorbei und spricht halblaut vor sich hin. In Gedanken ist er sicher bei den Verstobenen - nicht nur an Allerseelen.