Titting
Sammy hilft dem kleinen Bastian

Epilepsiehund für schwerbehinderten fünfjährigen Buben aus Titting

15.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:21 Uhr

Hilfe auf vier Pfoten: Der Golden Retriever Sammy wird von Nicoletta Reina (rechts) zum Epilepsiehund ausgebildet. Wenn der fünfjährige Bastian einen Anfall bekommt, kann der Hund Mutter Julia holen, die ein Medikament verabreicht. - Foto: Steiner

Titting/Weißenburg (DK) Bastian Heckl aus Titting ist mit einem halben Herzen zur Welt gekommen. In der dritten Lebensnacht blieb sein Herz dann ganz stehen und er musste reanimiert werden. Es kam zu einer Gehirnblutung und einem Schlaganfall. Der heute Fünfjährige ist seitdem schwerbehindert und leidet seit zweieinhalb Jahren unter epileptischen Anfällen, die das Leben und vor allem den Schlaf der vierköpfigen Familie massiv beeinträchtigen. Denn die Anfälle kommen nur nachts. Der Grund, warum Bastians Eltern überaus schlecht schlafen. Ein speziell ausgebildeter Epilepsiehund soll der Familie jetzt mehr Sicherheit geben.

Denn ein Epilepsiehund kann im Ernstfall Leben retten. Die Assistenzhunde für Epileptiker, die seit 2004 auch in Deutschland ausgebildet werden, warnen, bevor ein lebensbedrohliches Ereignis eintritt. Im Falle von Bastian, bei dem bei einem epileptischen Anfall die Atmung aussetzt, könnte der Epilepsiehund beispielsweise einen Notrufknopf mit der Pfote drücken oder Hilfe holen. Technische Hilfsgeräte wie Warnmatratzen oder Babyphones funktionieren dagegen überhaupt nicht. "Bastian wird ganz steif und bewegt sich nicht", erklärt seine Mutter Julia, die sich gemeinsam mit ihrem Mann deshalb entschieden hat, einen Hund anzuschaffen, der jetzt von Nicolette Reina ausgebildet wird.

Die Weißenburgerin ist im Umkreis von rund 50 Kilometern die einzige Hundetrainerin, die auch Epilepsiehunde ausbildet und seit März den zehn Monate alten "Sammy" der Familie Heckl auf seine Aufgaben vorbereitet. Der zehn Monate alte Golden Retriever ist sanftmütig, gelehrig und daher bestens geeignet, um für Bastian künftig Hilfe zu holen. "Auch Sammy hat das, was wir Hundetrainer als Will to Please bezeichnen", ist Reina überzeugt. Das heißt: Der Golden Retriever ist aufgrund seiner Anlagen bemüht, herauszufinden, was sein Mensch von ihm will und versucht, das so gut wie möglich umzusetzen. Wenn man ihn lobt, dann spornt ihn das besonders an. Schon jetzt kann Sammy deshalb auf das Kommando "Touch!" eine Notruftaste drücken. Im Ernstfall kann Mutter Julia schnell kommen und Bastian ein hoch dosiertes Notfallmedikament verabreichen, das den Kampf löst.

Auch Bastians Wesen hat sich verändert, seitdem Sammy bei der Familie lebt. "Er ist viel ruhiger und ausgeglichener", hat seine Mutter beobachtet. Die Nähe zu dem Golden Retriever tut dem Kleinen gut, der sich manchmal von alleine in die Hundebox kuschelt. Selbst die Anzahl der Anfälle, die Bastian bislang alle zwei bis drei Wochen hat, könnten weniger werden, meint Reina.

Die Hundetrainerin wird bei der Ausbildung von Sammy vor ein ganz spezielles Problem gestellt: Sie muss mit dem Assistenzhund und mit Mutter Julia den Ernstfall üben, den man im Training allerdings nur schlecht simulieren kann. Denn das Konditionieren auf den Notrufknopf muss daheim passieren. Das bedeutet, dass Mutter Julia, wenn Bastian einen Anfall hat, sich zum einen um ihren Sohn kümmern und zum anderen Sammy trainieren muss. Eine Situation, bei der Stress vorprogrammiert ist.

Wenn in der Ausbildung, die zwischen 18 bis 24 Monate dauert, alles glatt läuft, kann Sammy verlässlich die Epilepsie anzeigen. Wenn die Heckls Glück haben und der Golden Retriever die richtigen Gene hat, kann er vielleicht sogar schon warnen, ehe der Anfall eintritt. Denn einige wenige Hunde haben die Sensibilität, dass sie bereits einige Minuten vor dem Epilepsieanfall warnen können, weiß die Weißenburger Hundetrainerin.

2014 haben Forscher entdeckt, dass diese besonderen Hunde eine reduzierte Sauerstoffsättigung im Blut ihrer Schützlinge wahrnehmen können und dann Alarm auslösen. Die Forscher gehen davon aus, dass Hunde die damit einhergehende verringerte Atemgeschwindigkeit hören und deshalb anschlagen. Alle Warnhunde in der groß angelegten Verhaltensstudie zeigten jedenfalls deutliche Ohrenbewegungen, bevor sie vor dem Anfall warnten.

Aber selbst wenn Sammy diese seltene Fähigkeit nicht haben sollte, sind die Heckls, die eigentlich nie einen Hund haben wollten, froh, dass der Golden Retriever jetzt zur Familie gehört. Auch die achtjährige Schwester Antonia, die wegen Bastians Behinderung oft zu kurz kommt, hat den gutmütigen und gelehrigen Hund in ihr Herz geschlossen und sagt: "Seitdem Sammy da ist, hat sich mein ganzes Leben verändert, weil jetzt immer auch jemand für mich da ist."

So herrscht derzeit in der Tittinger Familie eine große Hoffnung vor, dass sich ihr Leben durch Sammy zum Besseren wendet. Nur ein Wermutstropfen bleibt: Die Kosten für Sammys Ausbildung, die sich auf mindestens 6000 Euro belaufen werden, bezahlt keine Krankenkasse. "Das ist sehr schade", findet Nicolette Reina, die generell nicht versteht, dass Assistenzhunde in der Gesundheitspolitik noch zu wenig berücksichtigt werden. Wer möchte, könne deshalb Familie Heckl mit einer Spende unterstützen: Konto DE 10721500000053881231, Sparkasse Ingolstadt-Eichstätt, "Spende für Sammy".