Ingolstadt
"Sammeln Sie Punkte"

09.05.2011 | Stand 03.12.2020, 2:51 Uhr

Ingolstadt (sep) Endlich. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens in der Schlange zieht die Kassiererin den letzten Artikel über den Scanner. Es ertönt der finale Pieps. Der Kunde atmet auf. Jetzt nur noch schnell bezahlen und dann nichts wie ab in den Feierabend.

Doch die Zeiten, in denen die Supermarktmitarbeiterin einfach sagte: "Macht 15,20, bitte!", sind vorbei. Inzwischen ist eine nervtötende Fragerei der Standard: "Haben Sie eine Deutschlandcard", "Sammeln Sie Treue-Herzen", "Sagen Sie mir Ihre Postleitzahl"

Als vor einigen Jahren viele Einkaufsmärkte mit den Bonuskarten starteten, da hegte so mancher Kunde insgeheim noch die Hoffnung, der Spuk mit der Fragerei würde irgendwann schon wieder vorübergehen. Doch inzwischen haben sich die Prämiensysteme etabliert. Zwar mögen diese "Kundenbindungssysteme", wie es im Fachjargon heißt, tatsächlich den ein oder anderen Euro beim Einkaufen sparen – doch strapazieren sie vor allem die Nerven derjenigen, die keine solche Karte besitzen.

Inzwischen beobachtet man Kunden, die die drohende Frage der Kassiererin antizipieren und ihr bereits beim Luftholen entgegenschleudern "Nein, ich habe keine Payback-Karte und ich sammel auch keine Punkte oder Herzen." Denn: Wer kein Bonus-Kärtchen besitzt, fühlt sich gedrängt dazu, auch teilzunehmen. Es wird einem signalisiert: "Du gehörst nicht zum Kreis der Schnäppchen-Ritter. Offensichtlich sitzt dir das Geld zu locker."

Beim Bezahlen erfüllt einen ein gemischtes Gefühl aus Zorn auf die Kassiererin, weil man es einfach nicht mehr hören kann, und gleichzeitigem Mitleid, weil man weiß, dass die Frau von ihrem Arbeitgeber dazu angehalten ist.

Grundsätzlich scheint so eine Bonuskarte ja eine gute Sache. Denn: Hat man erst mal genügend Herzchen, Sternchen und andere Bonuspunkte gesammelt, gibt es einen Gutschein oder ein – mehr oder weniger brauchbares – "Treue-Geschenk". Doch wie das im Leben immer so ist, bekommt man auch hier nicht wirklich etwas geschenkt. Sonst könnte der Konzern seine Ware ja einfach billiger machen. Bei einer Bonuskarte handelt es sich um eine Art Tauschgeschäft: persönliche Daten gegen Bares.

Zwei der größten Bonuskartenanbieter sind Payback (dazu gehören unter anderem Galeria Kaufhof, Real, dm-Drogeriemarkt) und Deutschlandcard (Edeka, Marktkauf). Wer sich anmeldet, muss Name, Anschrift, Geburtsdatum und E-Mailadresse hinterlassen. Erwünscht – wenn auch nicht verpflichtend anzugeben – sind auch Festnetz- und Handynummer. Besonders offenherzige Menschen können dann zusätzlich noch ihr monatliches Nettogehalt und den Familienstand preisgeben.

Wer sich auf den Internetseiten dieser Anbieter umschaut, erkennt schnell: Die Firmen machen keinen Hehl daraus, wozu sie die Daten nutzen. Die Angaben zur Person werden mit den getätigten Einkäufen verknüpft – so weiß beispielsweise Payback, ob sich der Kunde eher für Baby-Öl und Windeln oder für Bier und Bockwürste interessiert. Damit lässt sich die Reklame wunderbar personalisieren. Dass der ein oder andere Kunde mit erwartungsfrohem Blick auf die nächste winkende Prämie mehr kauft als er vielleicht braucht, ist für die Unternehmen ein netter Nebeneffekt.

Das Vorgehen der Anbieter heißt nicht jeder gut: "Wir sehen die Bonuskarten sehr kritisch", sagt Daniela Czekalla von der bayerischen Verbraucherzentrale. Vor allem die vorformulierten Einverständniserklärungen entsprächen nicht immer den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes. Außerdem werde der Käufer immer mehr zum gläsernen Kunden.

Und am Ende steht die Frage: Wie sicher sind meine Daten bei dem Anbieter? Die jüngste Datenpanne bei Sony zeigt, wie schnell es gehen kann, dass Dritte die persönlichen Angaben abgreifen. Hacker hatten bei einem Angriff Millionen Kundendaten erbeutet. Kein schöner Gedanke, dass jemand genau weiß, wie viel fettige Tiefkühlkost, Kondome und Tampons ich kaufe.

Und abgesehen davon: Würde man sich bei jedem Bonussystem anmelden – dann müsste man wohl permanent einen Rucksack mit sich führen, um immer die passende Karte parat zu haben. Es gibt also gute Gründe, so ein Prämiensystem abzulehnen. Schwer nachzuvollziehen ist dagegen, wieso sich der Kunde beim Einkauf ständig aufs Neue dieser Fragerei aussetzen muss.

Doch der Wissensdurst der Händler wird immer größer. Inzwischen tut sich bereits ein neuer Trend auf: Es vermehren sich die Kassen, an denen der Kunde nach seiner Postleitzahl gefragt wird. Die meisten rücken anstandslos damit heraus. Denn wenn eine Kassiererin freundlich fragt, verweigern die wenigsten die Angabe. Man will ja nicht unhöflich sein. Und außerdem ist die Dame ja dazu angehalten.

Dabei handelt es sich hier um nichts anderes als Marktforschung auf Kosten der Kunden. So kann man sich als Unternehmen viel Geld sparen. Die Postleitzahl wollen beispielsweise große Elektrofachmarktketten oder Baumärkte wissen. Auf DONAUKURIER-Anfrage erklärt die Pressestelle einer Baumarktkette schriftlich: "Das Ziel ist einzig und allein die Zuordnung der Kundenzahl nach Wohngebieten." So könne man die Werbung genau dort verteilen, wo auch die Kunden wohnten.

Dass diese Befragung finanziellen Nutzen hat, gibt die Baumarktkette zu, betont aber: "Die in diesen Gebieten gegebenenfalls eingesparten Werbekosten geben wir dann in Form bester Preise an die Kunden weiter." Ob das wirklich so ist, sei dahingestellt. Es bleibt die Frage, ob es manchem Kunden nicht lieber wäre, man würde seine Nerven schonen.

"Die Frage nach der Postleitzahl kann ich beantworten, muss ich aber nicht", sagt Thomas Kranig, Leiter des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht. "Das muss jeder für sich entscheiden." Weil die Postleitzahl allein keine personenbezogenen Daten darstelle, sei dies aus datenschutzrechtlicher Sicht unproblematisch. Somit gibe es hier auch keinen Grund einzuschreiten.

Verschont bleibt man im Moment beispielsweise bei Discountern wie Aldi und Lidl. Die Frage ist nur: Wie lange noch?