München
Ruhiger und gemütlicher

Die Wirte der kleinen Wiesnzelte setzen sich von den großen Bierburgen ab - auch mit Angeboten für Senioren

12.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:32 Uhr
Patrik Stäbler
Lorenz Stiftl aus dem Vohburger Ortsteil Rockolding ist seit 2002 auf der Wiesn vertreten. −Foto: Foto: Stäbler

München (DK) Gerhard Krug hat seine Ehefrau im Festzelt Winzerer Fähndl auf dem Oktoberfest kennengelernt, 1964 war das.

Seither habe er keine Wiesn mehr verpasst, sagt der 77-Jährige, der stellvertretender Vorsitzender des Seniorenbeirats der Stadt München ist. In all der Zeit habe er jedoch eines feststellen müssen: "Es sind immer weniger echte Münchner auf der Wiesn. Und immer weniger ältere Menschen. " Weil ihnen zu viel Gedränge herrscht, weil die Suche nach einem freien Platz so beschwerlich ist, und weil ein Besuch im Festzelt oftmals zu kostspielig für sie ist.

Um hier gegenzusteuern, hat der Seniorenbeirat in Kooperation mit den kleinen Wiesnzelten vergangenes Jahr das Pilotprojekt "Wiesn-Stammtisch für Seniorinnen und Senioren" gestartet. "Damit das Oktoberfest wieder zu einem generationsübergreifenden Volksfest wird und die älteren Menschen teilhaben können", sagt Gerhard Krug, der das Projekt initiiert hat. In den teilnehmenden Zelten werden werktags von 10 bis 16 Uhr spezielle Senioren-Tische freigehalten, für die es keine Reservierung braucht. Darüber hinaus gibt es eine eigene Speisekarte mit vergünstigten Mittagsgerichten, keinen Verzehrzwang, und sogar Abstellflächen für Rollatoren.

Auch heuer wird es die Senioren-Stammtische in elf der 21 kleinen Wiesnzelte geben - unter anderem im "Zum Stiftl" von Lorenz Stiftl. Der 55-jährige Gastronom aus dem Vohburger Ortsteil Rockolding ist seit 2002 auf der Wiesn vertreten und hat maßgeblich daran mitgewirkt, dass die Wirte der kleinen Wiesnzelte inzwischen eine enge Kooperation pflegen. "Gemeinsam können wir stärker auftreten zum Beispiel gegenüber Behörden und der Politik", sagt Stiftl. "Außerdem hilft es uns, wenn wir als eigene Marke wahrgenommen werden. "

In der Außendarstellung werben die kleinen Wiesnzelte vor allem damit, dass es bei ihnen etwas ruhiger und gemütlicher zugeht. "Bei uns ist es familiärer - und auch nicht so laut wie in den großen Festzelten", sagt Lorenz Stiftl. Schließlich seien diese "Bierburgen, die achtzig bis neunzig Prozent ihres Umsatzes mit Bier machen. Bei uns dagegen macht das Essen eher sechzig bis siebzig Prozent aus. " Die Bandbreite reicht dabei von Hühner- und Entenbratereien über Zelte, die sich auf Fisch und Meeresfrüchte spezialisiert haben, bis hin zu Kaffee- und Weinzelten. Insgesamt stehen in den 21 kleinen Wiesnzelten rund 8000 Plätze zur Verfügung. "Wir sind also zusammengenommen so groß wie ein großes Festzelt", betonte Otto Lindinger (Bodos Cafézelt) beim Empfang der kleinen Wiesnzelte gut eine Woche vor dem Oktoberfeststart am 21. September.

Lindinger, der Lorenz Stiftl kürzlich als Sprecher der kleinen Wiesnzelte abgelöst hat, ging dabei auch auf den Bierpreis ein und sagte: "Kleine Zelte heißt natürlich auch kleine Preise" - ein Satz, der wohl eher als Scherz gemeint war. Denn in puncto Bierpreis stehen die kleinen Zelte mit einer Spanne von 11,30 bis 11,70 Euro je Maß den großen Zelten (11,40-11,80 Euro) in kaum etwas nach. Jedoch müsse man hier auch die Kosten bedenken, die mit einem solchen Betrieb einhergingen, sagt Lorenz Stiftl. So lägen die Investitionen je Zelt zwischen einer und 2,5 Millionen Euro; allein für den Auf- und Abbau würden 100000 bis 500000 Euro fällig.

Ungleich happigere Summen müssen freilich für eines der 14 großen Wiesnzelte berappt werden - und doch ist genau das der Traum von Lorenz Stiftl. Auch fürs diesjährige Oktoberfest hat sich der Gastronom aus Rockolding wieder bei der Stadt München für ein großes Festzelt beworben. Wieder gab's Gerüchte, er könnte zum Zug kommen; doch wieder ging er am Ende leer aus - wenngleich er dem Vernehmen nach die höchste Bewertung aller Verlierer erhielt. "Irgendwann wird schon was passieren", sagt Lorenz Stiftl auf die Frage nach seinem Traum vom großen Wiesnzelt. "Es kommt, wie's kommt. " Ohnehin sei er mit der jetzigen Situation zufrieden. "Jammern darfst du erst", sagt Stiftl, "wenn du nicht mehr auf der Wiesn bist".

Patrik Stäbler