Roth
Rückzug in eine sphärische Klangwelt

Martin Kälberer entführt in der Kulturfabrik das Publikum in wunderbare Tonvielfalt

21.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:05 Uhr

Martin Kälberer entlockt beim Auftritt in der Kulturfabrik seinen Instrumenten unglaubliche Klänge. - Foto: Klier

Roth (mkl) "Suono - Morgenland" heißt das Programm von Martin Kälberer, das er als Jubiläumsbeitrag in die Rother Kulturfabrik mitgebracht hat. "Suono" steht im Italienischen für "Klang", oder auch "ich spiele" und dass er beides exzellent beherrscht, das beweist Kälberer.

Auf der Bühne ist im geheimnisvollen blauen Licht ein Sammelsurium verschiedener Instrumente um einen Bösendorfer-Konzertflügel versammelt.

An runden Tischchen sitzen die in überschaubarer Zahl gekommenen Zuhörer. Bei Kälberers letztem Soloauftritt vor fünf Jahren hatten sie noch im Foyer Platz gefunden. Jetzt greift Kälberer in die Tasten des Flügels, um ein melodiöses Intro erklingen zu lassen. Danach stimmt er ein Lob auf die Kufa "mit ihren netten Leuten" an. Drei "Hangs" stehen bereit. Das sind zwei zusammengeklebte Halbkugeln aus Stahlblech, deren Klang an eine Steelband erinnert. In Bern, dem Ursprungsland des Instruments, heißt die Hand ,"Hang", und da das Instrument mit den bloßen Händen gespielt wird, hat es so seinen Namen erhalten. Erstaunlich, welche Tonvielfalt Kälberer dieser relativ einfachen Konstruktion entlocken kann. Oft setzt er zusätzlich seine "Loop-Maschine" ein, mit der er unterschiedliche Klänge aufzeichnet, um sie dann einzeln oder getrennt als "Loop", also Schleife, wieder abzuspielen. Auf diese Weise ist bald ein imaginäres Orchester auf der Bühne versammelt. Geheimnisvoll sphärisch verwandelt erklingt dazu seine Stimme. "Vocalise" nennt sich sein Gesang, gewissermaßen ein Lied ohne Worte, das nur mit Vokalen gesungen wird. Als Alleinunterhalter könnte man ihn bezeichnen, wenn nicht seine Musik viel weiter oben angesiedelt wäre.

Kopfschütteln, so gesteht er, bereiten ihm die Zeitungsberichte, die ihm die Welt wie ein Schmierentheater erscheinen lassen. Für ihn ist dann die Musik die geeignete Therapie: "Da kann ich mich in meine Klangwelt zurückziehen." Das nimmt man ihm gerne ab, vor allem, wenn er am Klavier sitzt und in sich gekehrt, die Zuhörer und die Welt zu vergessen scheint. Mit seinem Freund Pippo Pollina ist er in dem vom Erdbeben zerstörten sizilianischen Dorf Gibbelina durch die Straßen gegangen, in denen einst Menschen lebten. Am Klavier lässt er mit elegischen Klängen diesen Gang nacherleben. Dann greift er wieder zu einem seiner Hangs und spielt mit dem Fußpedal Loops mit Bass und Percussion ein - und wieder entsteht ein zauberhaftes Klangfarbenmuster.

Heute sagt man "Naher Osten", sinniert er, früher sagte man dazu "Morgenland", ein mit Zauber behafteter Ausdruck. Diesen Zauber reproduziert er auf dem Konzertflügel. Ohne jegliche elektronische Unterstützung folgt ein Hang-Solo, das zeitweise mit der Faust geschlagen wird, bevor mit "Einklang" eine zarte Weise auf dem Klavier erklingt.

Ein trauriger, meditativer Abgesang beklagt die vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten. Das "Waterphone" unterstreicht mit seinen wehmütigen Klängen den Titel "Lost, not forgotten". Dazu gesellen sich die Töne eines Vibrandoneon, eine "Melodica für Erwachsene", mit gekrümmtem Anblasrohr.

Stehende Ovationen fordern eine Zugabe, die es gleich dreifach gibt. Auf ein beswingtes Klaviersolo folgt ein Beitrag, bei dem Kälberer alle Register seines Instrumentariums zieht, bevor er mit leisen Klavierklängen das begeisterte Publikum entlässt.