Ingolstadt
"Rückschlag für die Demokratie"

Der Ingolstädter Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl zum neuen EU-Personal

03.07.2019 | Stand 02.12.2020, 13:36 Uhr
Reinhard Brandl aus Ingolstadt sitzt für die CSU im Bundestag und ist Mitglied des Verteidigungsausschusses. −Foto: Carstensen/dpa

Ingolstadt (DK) Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) soll die neue Chefin der EU-Kommission werden.

Damit haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs vom Konzept der Spitzenkandidaten verabschiedet - und in den Augen vieler auch vom Ergebnis der Europawahl. Die Kritik ist heftig und parteiübergreifend. Auch der Ingolstädter Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl - Politiker der CSU und als Mitglied des Verteidigungsausschusses häufig mit Ministerin von der Leyen auf Reisen - sieht das Brüsseler Personaltableau im Gespräch mit unserer Zeitung kritisch.

Herr Brandl, Sie haben die Personalentscheidung von Brüssel deutlich kritisiert. Warum sind Sie gegen Ministerin Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionspräsidentin?

Reinhard Brandl: Hier geht es nicht um Ursula von der Leyen. Sie ist für diesen Posten qualifiziert und ich schätze sie wirklich sehr. Aber das ist nicht das Thema. Völlig unabhängig von Personen: Wir hatten eine Europawahl und die Menschen sind wählen gegangen, um Manfred Weber zu unterstützen. Und dann kommt am Ende jemand auf den entscheidenden Posten, der gar nicht zur Wahl stand.

Ist das aus Ihrer Sicht ein Rückschlag für das Ansehen der europäischen Institutionen?

Brandl: Dass die Staats- und Regierungschefs den Kommissionspräsidenten im Hinterzimmer ausmachen, ohne das Wahlergebnis zu respektieren, ist vor allem ein tiefer Rückschlag für die Demokratie in Europa. Wenn der eigentliche Sieger nicht berücksichtigt wird, dann ist das eine klare Missachtung des Wählerwillens. Und es ist ein Rückschlag für die Europäische Gemeinschaft. Es verhindert, dass Europa als Institution wächst und stärker wird.

Können Sie das bitte etwas konkreter beschreiben?

Brandl: Natürlich hat ein gewählter Kommissionspräsident eine deutlich andere Legitimation, als einer von Gnaden der Regierungschefs. Ein Kompromisskandidat hat doch niemals die gleiche politische Kraft, die ein Manfred Weber gehabt hätte. Er ist in einer Wahl vom Volk gewählt worden.

Es kommt erschwerend hinzu, dass Ursula von der Leyen eine CDU-Politikerin ist. Schmerzt es Sie als CSU-Politiker, dass Ihre Partei so kurz vor dem Erringen des mächtigsten EU-Postens von der eigenen Schwesterpartei abgefangen wurde?

Brandl: Es geht hier auch nicht um CDU oder um CSU. Wir hatten einen gemeinsamen Spitzenkandidaten für das Amt des EU-Kommissionschefs gefunden. Und wir haben uns natürlich sehr darüber gefreut, dass es jemand aus Bayern ist. Auch die CDU stand hinter Manfred Weber. Es lag also nicht an der Unterstützung der Christdemokraten.

Also droht hier kein neues Streitpotenzial zwischen den Unionsparteien?

Brandl: Wir sind eine Union.

Sie sprachen von einem Rückschlag für die Demokratie in Europa. Wer trägt daran aus Ihrer Sicht die Verantwortung?

Brandl: Dass Wahlsieger Manfred Weber nicht Kommissionschef wird, liegt vor allem daran, dass insbesondere Frankreich und Ungarn - zwei eigentlich mit uns verbündete Staaten - ihn aus ganz unterschiedlichen Gründen verhindern wollten. Emmanuel Macron hatte Angst vor einem zu starken Kommissionspräsidenten, der auch noch durch ein erstarktes EU-Parlament getragen wird. Er fürchtete, an Einfluss zu verlieren. Und bei Viktor Orban vermute ich eine Revanche für einige Äußerungen Webers in Richtung Ungarn im Vorfeld des EU-Wahlkampfs.

Welche Äußerungen Webers haben Sie da im Sinn?

Brandl: Natürlich jene über die Lage der Meinungsfreiheit und der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn. Manfred Weber hat im letzten Jahr im Europäischen Parlament für die Einleitung eines sogenannten Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn gestimmt und er hat im Wahlkampf die Anti-Juncker-Plakatkampagne der ungarischen Regierung kritisiert. Jetzt kam die Reaktion.

Kommen wir nochmal zurück zu Frau von der Leyen: Glauben Sie, dass sie diese große Aufgabe meistern kann?

Brandl: Sie genießt überall hohes Ansehen. Ich habe mehrfach erlebt, wie sie sich im internationalen Umfeld perfekt behauptet. Zudem spricht sie fließend Englisch und Französisch. Sie wird das sicher gut machen.

Nun ist Frau von der Leyen in ihrem Amt als Bundesverteidigungsministerin seit Monaten nicht gerade unumstritten. Hat Kanzlerin Angela Merkel hier einen eleganten Weg gefunden, um das Ministerium personell neu aufzustellen?

Brandl: Das war mit Sicherheit nicht das Motiv. Ich denke, dass die innenpolitische Kritik an der Ministerin kein Entscheidungsgrund für die Bundeskanzlerin war. Ursula von der Leyen wird aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und auch wegen ihrer Arbeit als Bundesverteidigungsministerin europaweit geschätzt. Es wäre daher schwieriger gewesen, innerhalb der EU einen anderen Politiker aus Deutschland zu vermitteln.

Kommen wir noch kurz zu Ihnen: Sie sind Mitglied im Verteidigungsausschuss und gelten als erfahrener Politiker in diesem Feld. Manche mutmaßen schon, nun könnte Ihr Weg ins Verteidigungsministerium frei sein?

Brandl: (lacht) Nein. Das steht nicht zur Debatte.

Das Gespräch führte

Christian Tamm.