Hamburg
"Robin Hood der Fehlsichtigen"

Günther Fielmann schuf seit 1981 ein Brillenimperium – Jetzt ist der bekannteste Optiker Deutschlands 75 Jahre alt

16.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:14 Uhr

Hamburg (AFP) Günther Fielmanns Geniestreich fällt auf das Jahr 1981. Damals schloss der ehrgeizige Augenoptik-Unternehmer mit der AOK Esens in Niedersachsen einen Vertrag zum Verkauf modischer Kassenbrillen auf Rezept und revolutionierte damit den deutschen Markt für Sehhilfen.

Mehr als drei Jahrzehnte später hat sich seine Firma zum börsennotierten Branchenschwergewicht mit rund 680 Filialen und einem Umsatz von 1,35 Milliarden Euro entwickelt. Heute wird Fielmann 75 Jahre alt.

„Die Firma ist mein Leben“, sagte Fielmann (Foto) vor einigen Jahren. Nur so dahingesagt war das nicht: Mit viel Energie gestaltete der 1939 im schleswig-holsteinischen 300-Seelen-Dorf Sarstedt bei Rendsburg Geborene seinen Weg vom Augenoptiker über Manager-Jobs bei großen Optikkonzernen bis hin zum Chef seines eigenen Unternehmens. Bis heute ist er Vorstandschef und Mehrheitsaktionär.

Die Grundidee Fielmanns war es, qualitativ hochwertige Brillen in großen Stückzahlen günstig zu produzieren und preisgünstiger als die Konkurrenz zu verkaufen. Die Überlegung: Die Kostenvorteile einer auf große Umsatzmengen abzielenden Strategie wären trotz Verzichts auf Teile der im Optiker-Einzelhandel früher üblichen, sehr hohen Gewinnmargen so groß, dass sich ein dauerhaft überlegenes Unternehmen aufbauen lassen würde.

Eine Zielgruppe erkannte Fielmann in den Millionen Kassenpatienten, die Brillen auf Rezept und damit kostenlos erhielten. Für die Optiker spielten diese Kunden traditionell fast keine Rolle. Sie wurden mit wenigen, eher unmodischen Standardmodellen billig grundversorgt. Das änderte sich mit Fielmanns Vertrag mit der AOK: Er bot Kassenpatienten aufgrund seiner besseren Kostenstruktur plötzlich 90 zeitgemäße, attraktive Brillentypen zum Nulltarif an.

Der Vorstoß krempelte die gesamte Optikerbranche um. Das bei der Kommunikation seiner Strategien nicht eben bescheidene Unternehmen selbst spricht von einer „historischen Leistung“, mit der für Brillenträger in Deutschland die „Diskriminierung per Sozialprothese“ beendet worden sei. In der Folge setzte Fielmann auf weitere werbewirksame Innovationen, etwa eine Geld-zurück-Garantie, wenn ein Kunde dieselbe Brille woanders zum günstigeren Preis finden sollte.

Die Rechnung ging auf: Fielmann expandierte rasant. In der Branche aber wurde er regelrecht gehasst. Konkurrenten warfen ihm Preisdumping vor und verspotteten ihn als „Robin Hood der Fehlsichtigen“. Gestört habe ihn das nicht, sagte der im geschäftlichen Umgang bisweilen als ruppig beschriebene Firmenlenker einmal. „Der Widerstand zeigte mir, dass ich auf dem richtigen Wege war.“

Seit 1994 ist Fielmann an der Börse notiert und beschäftigt heute 16 000 Mitarbeiter in Deutschland sowie im benachbarten Ausland. Die Hälfte der hierzulande verkauften Sehhilfen geht über seine Tresen. Und Fielmann setzt weiter auf Expansion. Mittelfristig sind rund 200 neue Filialen geplant.

Fielmann, der ursprünglich Fotograf werden wollte, sich aber auf Drängen seines Vaters zum Optiker ausbilden ließ, ist nicht nur Unternehmer, sondern auch Mäzen mit großem Interesse am Naturschutz. Er kaufte drei Landgüter in Schleswig-Holstein, auf denen ökologische Produkte erzeugt und alte Haustierrassen gezüchtet werden. Daneben unterstützt er Sportvereine, Museen und Archive und ließ historische Bauten wie das Plöner Schloss restaurieren.

Wann und wie sich der geschiedene zweifache Vater und Ferrari-Fan eines Tages von der Unternehmensspitze zurückziehen könnte, gilt bislang als offen. Seit Jahren bereitet er seinen 1989 geborenen Sohn Marc und seine fünf Jahre jüngere Tochter Sophie-Luise auf mehr Verantwortung in der Firma vor. Vor allem Marc, der bereits als Manager bei Fielmann arbeitet, gilt als potenzieller Nachfolger.