Eichstätt
Risikoberuf Hebamme

Geburtshelferinnen kämpfen mit explodierenden Versicherungskosten – Eichstätter Klinik zahlt Pauschale für einzelne Leistungen

08.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:43 Uhr

Die kleine Theresa ist auf diesem Foto gerade einmal einen Tag alt. Zum Alltag ihrer Hebamme Viktoria Bauer in der Eichstätter Klinik gehört neben der Geburt auch die Vor- und Nachsorge der Babys zum Berufsalltag - ein 24-Stunden-Job für Bauer - Foto: swe

Eichstätt (EK) Bundesweit fürchten derzeit Hebammen um ihre berufliche Existenz: Ihr Beitrag zur Haftpflichtversicherung ist um 285 Prozent gestiegen, das ist für viele kaum mehr bezahlen. In Eichstätt scheint die Lage nicht ganz so dramatisch, denn die Hebammen bekommen Unterstützung von der Klinik.

Viktoria Bauers Berufsalltag wechselt zwischen Hausbesuchen am Vormittag und Dienstzeiten in der Eichstätter Klinik. Bauer ist eine von sechs Hebammen in Eichstätt. Gerade erst hat sie wieder einem Kind auf die Welt geholfen – überraschend, um 22 Uhr am Dienstagabend. Die kleine Theresa, die Bauer in Händen hält, ist nicht einmal 24 Stunden alt. Sie ist eines von rund 120 Kindern im Jahr, bei deren Geburt Bauer dabei ist. Zu „ihren werdenden Mamis“ hat die Geburtshelferin ein sehr intensives und enges Verhältnis. „Hebamme sein ist schön“, sagt Bauer. „Man bringt ein Leben zur Welt, und man gibt den Müttern viel Hilfe.“ Zusätzlich könne sie sehr selbstständig an der Eichstätter Klinik arbeiten. Es klingt nach einem Traumberuf, den Bauer seit 23 Jahren ausübt. „Das ist auch so“, erklärt die leidenschaftliche Geburtshelferin, „wenn da nicht die steigenden Beiträge der Haftpflichtversicherung wären.“

Als selbstständige Hebamme trägt Bauer sämtliche Kosten, die bei ihrem Beruf anfallen. „Ich zahle Kranken- und Rentenversicherung sowie Haftpflichtversicherung.“ Der Beitrag für Letztere ist seit 2003 von durchschnittlich 1300 Euro im Jahr auf 5000 Euro 2014 gestiegen. Ein Plus von 285 Prozent. 2015 sollen die Hebammen in Deutschland sogar 6000 Euro bezahlen. Das war mit ein Grund, dass in diesen Tagen tausende von Hebammen protestiert haben.

Lange Zeit sah es sogar so aus, dass der Hebammenverband keinen Versicherer mehr findet, der einen Vertrag abschließen mochte. Die Beiträge stiegen, weil es häufiger vorkommt, dass Eltern Ansprüche an Hebammen formulierten, weil ihre Kinder bei der Geburt einen Schaden erlitten hätten. „Das stimmt so aber nicht“, bremst Bauer. „Durch die längere Lebenszeit von kranken Kindern werden die Ansprüche nicht mehr, sondern höher.“ Dabei kann es pro Fall schon einmal um sechs bis sieben Millionen Euro gehen, was für die Versicherer ein großes Risiko darstellt. Bis 30 Jahre nach der Geburt besteht ein Anspruch. „Da kann es auch sein, dass ein 29-Jähriger eine Rechenschwäche hat und dann überprüfen lässt, ob bei der Geburt etwas schiefgelaufen ist“, sagt Bauer.

Zwischen 250 und 280 Euro verdient Bauer an einer Geburt. Egal, wie lange sie dauert. „Es ist ein 24-Stunden-Job“, erklärt sie, „Privatleben hat man da natürlich wenig.“ Gemessen am Verdienst einer Geburt, gibt sie auch zu: „Ein bisschen Hebamme kann man nicht sein, sonst könnte man sich das nicht leisten.“ Bauer mag ihren Beruf trotzdem, auch ihre Mutter war bereits Hebamme. Viele ihrer Berufskolleginnen zögen sich von der Geburt selbst zurück und betreuten die Eltern nur noch vor und nach der Geburt. „Das ist für mich keine Option. Schließlich ist die Geburt doch der Höhepunkt“, sagt Bauer.

Konsequenz der Haftpflichtmisere ist für Bauer, noch vorsichtiger bei einer Geburt zu sein. „Bei unklaren Herztönen des Babys entscheiden wir uns lieber gleich für einen Kaiserschnitt“, erklärt sie. Schade sei das eigentlich schon, denn eine natürliche Geburt sei ja das Einzige im Leben, das heute nicht mehr planbar sei. Zudem wachse dadurch die Zahl an Kaiserschnitten. „Teilweise hat man schon das Gefühl, wenn bei einem Kind etwas nicht stimmt, ist immer die Hebamme schuld.“ Bauer ist froh, dass sie bisher noch keinen Schadensfall hatte, denn „andernfalls bist du fertig in dem Beruf“.

Das Problem mit den gestiegenen Beiträgen für die Haftpflichtversicherung sieht auch die Krankenhausleitung in Eichstätt „kritisch“. Generell sind laut Auskunft des Geschäftsführers Lorenz Meier die Schadensansprüche drastisch gestiegen. „Das legen die Krankenkassen natürlich auf die Beiträge um.“ Um die Hebammen zu unterstützen, hat sich die Eichstätter Klinik eine „spezifische Lösung“ überlegt. „Für bestimmte Leistungen der Hebammen gibt es von uns eine Pauschale, die ein paar tausend Euro umfasst“, erklärt Meier. So erhalten Geburtshelferinnen wie Bauer Geld für die Vorbereitung der Kreißsaals oder die Anfertigung einer Dokumentation.

Rund 400 Kinder kommen im Jahr in Eichstätt auf die Welt. Doch erst bei etwa 30 Geburten haben die Hebammen ihren Haftpflichtbeitrag wieder „reingeholt“, umgerechnet entspricht das etwa einem Vierteljahr Arbeit. „Auch deshalb müssen wir schauen, dass die Geburtenzahl in unserer Klinik stabil bleibt“, sagt Meier. Es ist auch der Grund, weshalb sich das Krankenhaus für eine Erweiterung der Geburtshilfe vor einigen Jahren entschied. „Am Ende hängt es aber vom Engagement der Hebammen ab, wie viele Kinder in Eichstätt geboren werden“, ergänzt Meier.