Ingolstadt
Risikoabwägung

Von Wolfgang Weber

28.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:09 Uhr

Ausgerechnet Christian Schmidt, der stets umgängliche und besonnene CSU-Politiker, hat Kanzlerin Angela Merkel kräftig in die Suppe gespuckt. Denn die CDU-Chefin versucht derzeit mit allen Mitteln die widerstrebenden Sozialdemokraten doch noch ins Koalitionsboot zu locken, verspricht fairen Umgang und beschwört gegenseitiges Vertrauen - und dann pfeift der Noch-Agrarminister nicht nur auf Geschäftsordnung und Weisungen, sondern brüskiert mit seinem Glyphosat-Votum die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und mit ihr die ganze SPD aufs heftigste.

Schmidt verteidigt sich, die Zulassung für den Unkrautvernichter wäre so oder so verlängert worden, notfalls hätte sie die EU-Kommission im Alleingang erteilt. Und das, obwohl Experten nach wie vor drüber streiten, ob das Brachial-Herbizid bei Menschen Krebs verursacht oder nicht. Dabei gilt in der EU, anders als in den USA, das Vorsorgeprinzip, nach dem Stoffe nur zugelassen werden dürfen, wenn sie zweifelsfrei unschädlich sind.

Zweifel gibt es bei Glyphosat aber durchaus, das auf der ganzen Welt verwendet wird, weil es Bauern das Pflügen erspart. Dafür wird in Kauf genommen, dass ganzen Tierarten die Lebensgrundlage entzogen wird, besonders Bienen und andere Insekten sowie Vögeln. Menschen hingegen würden nicht geschädigt, jedenfalls so lange das Mittel richtig dosiert und angewendet wird. Aber wer mag das angesichts massenhafter Verwendung garantieren. In Südamerika wird Glyphosat, wo es aus Flugzeugen versprüht wird, mit Krebserkrankungen und organischen Missbildungen bei Kindern in Verbindung gebracht. Aber auch in den USA, dem Stammland des Glyphosat-Einsatzes, wollen derzeit rund 3500 Nutzer - meist Landwirte - Schadenersatz für Krebserkrankungen erstreiten. Im Dezember wird dann über die Zulassung der Klagen entschieden.

Dennoch hat sich Christian Schmidt nach persönlicher Risikoabwägung für die weitere Genehmigung entschieden. Aus eigenen Stücken, sagt er. Aber wohl ganz im Sinne seines Parteichefs Horst Seehofer. Schließlich wird nächstes Jahr in Bayern der Landtag gewählt. Wer wollte da Bauern verprellen, die auf Glyphosat schwören. Die Entscheidung, dass das wichtiger ist als eine Regierungsbildung in Berlin oder gar die Gesundheit von Menschen, könnte sich für die CSU noch als fatal falsch erweisen.