stadtgeflüster
Rentner oder der Homo pedelecensis

07.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:17 Uhr

(peh) "Sie säen nicht, sie ernten nicht, und der himmlische Vater ernährt sie doch", heißt es im Matthäus-Evangelium über die Vögel - das war vor rund 2000 Jahren.

"Sie sehen nicht, sie erkennen nichts und kommen doch irgendwie über die Straße", möchten wir als zeitgenössische Variante vorschlagen. Nicht unsere gefiederten Freunde sind freilich damit gemeint, sondern die zahllosen Nutzer von Smartphones. Da kann der Verkehr um sie herum noch so toben, unsere zumeist jugendlichen Smartpone-Junkies sehen nicht nur nichts von dem, was um sie herum so alles vorgeht, weil sie ja beim Gehen permanent in ihren Kasten hineinstieren müssen. Nein, sie hören auch nichts, weil sie meistens irgendwelche Stöpsel im Ohrwaschel haben. Man muss sich wundern, dass auf Ingolstadts Straßen nicht mehr passiert angesichts derartig unvorsichtigen Verhaltens - vor allem auf Radwegen. Und wenn, dann ist am Schluss der Radler natürlich der Blöde!

Nachdem wir jetzt genug geschimpft haben (und uns morgen vermutlich wieder genauso aufregen werden), wollen wir das Problem auf einer mehr politisch-historischen Dimension angehen. 1. Warum steht in der Bibel nichts über Smartphones im Straßenverkehr? Weil sie im göttlichen Schöpfungsplan nicht vorgesehen sind, ganz einfach. 2. Was macht die Stadt dagegen? Irgendwas Smartes wie Fußboden-Ampeln für Smartphone-Nutzer, so wie in den Niederlanden? Da möchten wir dann doch wieder mal die Vorrangrouten für Radler ins Gespräch bringen. Wobei im Masterplan des ewigen Weltenlenkers ja auch nichts über E-Bikes geschrieben steht. Wieder so ein Problem. Diesmal allerdings nicht mit der Jugend, sondern mit den Senioren. Denn ein Teil der deutschen Rentner entwickelt sich offenbar immer zum Homo pedelecensis. Und auch für die gilt der Satz (frei nach Matthäus): Sie sehen nichts, so hören nichts - und glauben, sie hätten überall Vorfahrt.