Ingolstadt
Rennrodeln, Tuba und eine Prise fränkischer Humor

29.03.2022 | Stand 07.04.2022, 3:33 Uhr
Olympiasiegerin auf der Kabarettbühne: Auch Rennrodlerin Natalie Geisenberger spielte bei Andreas Hofmair Tuba. −Foto: Kusche

"Wer dablost's?

": Der spritzige musikalische Kabarett-Talk mit Andreas M. Hofmeir und Gästen fand wieder als Hybrid-Show statt. Wann treffen schon eine Olympiasiegerin, eine Kabarettistin und sechs gestandene fränkische Bläser zusammen, wenn nicht in der Show "Wer dablost's? " Bereits zum zweiten Mal zu Corona-Zeiten bot Andreas M. Hofmeir seine Kabarett-Show mit drei Gästen vor etwa 50 Zuschauern live im Kulturzentrum neun und zugleich als Aufzeichnung im kostenpflichtigen Stream an. Zu Gast waren diesmal neben der Kabarettistin Constanze Lindner die frisch gekorene Olympiasiegerin im Rennrodeln Natalie Geisenberger und das schier unaussprechliche fränkische Bläsersextett "häisd'n'däisd vom mee". Eine nachdenkliche Note erhielt die Veranstaltung durch die Peace-Fahnen im Bühnenbild und das leitmotivisch immer wieder intonierte und am Ende gesungene Lied "Sag mir, wo die Blumen sind? " von Pete Seeger in der deutschen Version von Marlene Dietrich.

Nach dem fetzigen Intro der Band "Schutter neun" riss das Tempo nicht ab, denn mit der bayerischen Urgewalt Constanze Lindner stürmte eine veritable verbale Rakete das Kulturzentrum neun, die zuletzt aus der Fernsehserie "Die Komiker" bekannt ist. Voller Selbstironie thematisierte sie ihr nicht nur pandemiebedingtes Übergewicht und forderte vom Publikum Solidarität: "Streichelt eure Bäuche, tragt sie mit Würde! " Anschließend wechselte sie blitzschnell die Themen und die Rollen: vom Bewertungswahn per Klick, Like und Foto über den für sie sinnfreien Beruf des Influencers bis zu den Untiefen der Liebe.

Dabei schlüpfte sie auch in die Comedy-Rolle der Cordula Brödke, einer hippen und schrägen Figur mit grüner Pudelmütze, die man aus Youtube-Kanälen ebenso kennt wie von den "Komikern". Ihr Zaubertrick auf der Bühne führte zwar bei einem Zuschauer zum Verlust eines Zehn-Euro-Scheins, diente aber zugleich als Initialzündung für den Running Gag der ständigen Kontaktaufnahme.

Im anschließenden Talk mit Hofmeir, der wie immer barfuß auftrat, verriet die temperamentvolle Kabarettistin auch einiges aus ihrem Leben und von ihren Berufen. Sie sprach über ihre unruhige Kindheit und Jugend, die weder von Eltern noch von Lehrern gebändigt werden konnte, über ihre Mitarbeit bei einer Plattenfirma, ihren Quereinstieg als Schauspielerin und ihre Musical-Ausbildung. Bei all ihren Aktivitäten wundert es einen, dass sie noch Zeit dafür fand, einen Ratgeber zu schreiben ("Miss Verständnis"), der anderen zum Beispiel helfen soll, nicht auf fremde Urteile zu vertrauen.

Einen beeindruckenden Weg ging auch Hofmeirs zweite Gästin, wie es offenbar korrekt gegendert heißen muss: Natalie Geisenberger entlockte der Tuba Rosalinde mehrere virtuose Töne, hatte aber heimlich geübt, wie sie zugab. Sie schilderte ihrem Gastgeber die ersten Rodelversuche, von denen sie gar nicht so begeistert war, weil sie so wenig steuern konnte. Doch plötzlich packte sie das Rodelfieber und führte sie zu mehreren Goldmedaillen - auch in Peking, wo sie es nach der Geburt ihres Sohnes vor zwei Jahren noch einmal wissen wollte. Die sympathische Sportlerin sprach offen über ihre Ängste und die Einschätzung der Spiele in China, wo sie vollständig isoliert lebte, und hielt auch die eine oder andere Anekdote bereit, wie die Geschichte vom Grizzlybären, der plötzlich in der Rodelbahn von Vancouver stand.

Für den musikalischen Höhepunkt sorgte dann aber die in Ingolstadt noch nicht so bekannte unterfränkische Bläserband "häisd'n'däisd vom mee". Der ungewöhnliche Name weist darauf hin, dass einige Musiker eben diesseits und andere jenseits vom Main stammen, alle aber gerne dem Getränk zusprechen, das in Mainfranken wächst, und auf jeder "Kerm" (Kirchweih) feierwütig aufspielen. Natürlich entlockte Tubaspieler Thomas der ehrwürdigen Rosalinde in professioneller Manier ein ganzes Sammelsurium an astreinen Tönen, und im abschließenden Talk zeigten sich die Franken gewitzt und ironisch - gewürzt mit einem derben Schuss an fränkischem Lokalkolorit. Doch auch ihre fünf selbst getexteten und komponierten Lieder hatten es in sich: Da wurde die Handysucht angeprangert und die fehlende Nachhaltigkeit, da bekamen Weltpolitiker, allen voran Putin, als "Hornochsen" ihr Fett weg und da ging es um verpasste Chancen im Leben. Selbst die biblische Genesis wurde nicht ausgespart, sondern neu erzählt: "Des kann doch wohl ned sei: Die Alde (Eva) hot in Apfel bissn: so a Schweinerei. " Dass Eva anschließend Kain vegetarisch, Abel aber mit Fleisch aufzog und der frustrierte Kain schließlich Abel mit einem "Schäuferla" erschlug, steht so nicht in der Bibel. Am Ende rappten "häisd'n'däisd" sogar mit allen Gästen und dem Publikum. Auf weitere derart hochklassige Hofmeir-Shows darf man sich freuen!

DK