Offenbau
Reminiszenz an einen Pfarrer in kurzen Hosen

22.12.2009 | Stand 03.12.2020, 4:23 Uhr

In der Kirche, in der sein Onkel Hermann fast 30 Jahre gewirkt hat, las Albrecht Sondermann aus seinem Buch. - Foto: Karch

Offenbau (HK) In der Kirche, in der sein Onkel Hermann 29 Jahre als Pfarrer gewirkt hat, stellte Pfarrer Albrecht Sondermann sein Buch "Ein Jahr und ein Leben" vor, das das Leben dieses ungewöhnlichen Dorfpfarrers schildert.

Mit einem "Oha" quittiert Pfarrer Albrecht Sondermann die Antwort auf die Frage: "Wer von Ihnen hat meinen Onkel noch gekannt". Kaum hat der Autor diese Frage gestellt, schnellen schon fast alle Finger in die Höhe. Die Zuhörer haben sogar alte Fotografien dabei. Und diejenigen, die Pfarrer Sondermann nicht persönlich gekannt haben, haben schon viel von ihm gehört.

"Schicksal und Leistungen eines fränkischen Dorfpfarrers" lautet der Untertitel des Buchs, das Albrecht Sondermann jetzt im mabase-Verlag (ISBN 978-3-939171-20-1) herausgebracht hat. Er ist ein Großneffe des ehemaligen Offenbauer Pfarrers, der von 1931 bis 1960 hier gewirkt hat. Und er hat selbst noch viele Erinnerungen an den von ihm so verehrten Onkel, hat sich aber auch bei anderen Menschen, die ihn kannten, umgehört, nicht zuletzt bei Hermann Sondermanns Schwester, bei der der Neffe einige Jahre gelebt hat. Aber auch im Archiv der Landeskirche hat der Autor intensiv geforscht.

"Ich war schon als kleiner Bub in dieser Kirche. Da oben bin ich gesessen", sagt er und deutet auf die Empore. "Von dort konnte man den Onkel besonders gut sehen."

Nicht nur der kleine Albrecht hatte eine besondere Beziehung zu seinem Onkel, auch ganz viele andere Kinder haben dessen Wirken zu schätzen gewusst. "Warum haben die Kinder überhaupt Schulferien, wenn sie nicht ins Grüne kommen", hatte sich Pfarrer Sondermann gefragt, als er als Vikar in Nürnberg-Steinbühl die blassen Arbeiterkinder kennen gelernt hatte. Für die Idee, die Kinder nach Offenbau zu holen und sie in der Pfarrscheune übernachten zu lassen, konnte Sondermann die Offenbauer Bevölkerung gewinnen. Sieben Wochen im Jahr war Offenbau dann von immer 40 Kindern auf einmal bevölkert, die in der frischen Luft und dank des kräftigen Essens in diesen Sommerwochen Farbe bekamen. "Nicht jede ländliche Gemeinde hätte sich darauf eingelassen", ist sich Albrecht Sondermann sicher. Aber die Offenbauer tolerierten diese "Offenbauer Kolonie" nicht nur, sondern unterstützten ihren Pfarrer sogar. Sie akzeptierten einen Pfarrer, der damals, als die Geistlichen noch schwarze Anzüge trugen, in kurzen Hosen herumrannte und am Lagerfeuer Gitarre spielte.

1942 wurde Hermann Sondermann, dessen gute Arbeit sich herumgesprochen hatte, nach Nürnberg versetzt. Der bekennende Pfarrer nahm kein Blatt vor den Mund, ein Mut, der nicht ohne Folgen blieben. "Ob wir den Krieg gewinnen, bestimmt der gerechte Gott im Himmel", sagte er unvorsichtiger Weise und wurde verhaftet. Von einem Sondergericht wurde er zu einem Jahr Gefängnis verurteilt und noch im Gerichtssaal verhaftet. Die Zeit im Gefängnis war schwer, die Zeit danach nicht weniger. Die Kirchenleitung entließ Sondermann auf Druck des Reichsjustizministeriums und des Reichskirchenministeriums aus dem Pfarrdienst und ließ ihn im Regensburger Kirchensteueramt Dienst tun. Umso größer die Freude, als er im August 1944 wieder in sein Offenbau zurückkehren durfte.

Bis zu seinem überraschenden Tod 1960 organisierte Sondermann noch viele Ferienlager und wirkte auch an der Ausbildung von Erziehern mit. "Als erstes hat er in den Erziehungsheimen die Trillerpfeife abgeschafft", berichtet Albrecht Sondermann. Der so geknüpfte Kontakt der Offenbauer zum Löhe-Heim in Altdorf bestand noch viele Jahre.

Pfarrer Hermann Sondermann wurde 1956 zum Ehrenbürger von Offenbau ernannt, Grund genug für Ursula Klobe, die stellvertretende Bürgermeisterin von Thalmässing, bei der Lesung Grußworte zu sprechen. Sie betont, wie wichtig es sei, die eigenen Wurzeln kennenzulernen. Die Schilderung des Autors sei so authentisch, dass man das Buch gar nicht mehr weglegen könne.

Das Buch kann unter anderem über das Pfarramt Eysölden oder den Kellermarkt bezogen werden. Es ist reich bebildert und kostet 19,80 Euro.