Wien
Remake eines Klassikers

David Schalko holt Fritz Langs "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" in die Gegenwart nach Wien

06.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:09 Uhr
M (Gerhard Liebmann, vorne) vor Gericht in der Unterwelt in der Serie "M - Eine Stadt sucht einen Mörder". −Foto: TVnow

Wien (DK) Im Jahr 1931 drehte Fritz Lang einen der ersten deutschen Tonfilme "M - Eine Stadt sucht einen Mörder".

Der Film gilt laut Stiftung Deutsche Kinemathek als das wichtigste Werk der deutschen Filmgeschichte. Er spielt in Berlin, die Rolle des getriebenen Kindermörders Hans Beckert übernahm Peter Lorre. Jetzt hat David Schalko, Autor und Regisseur der kultigen Austria-Serien "Braunschlag" und "Altes Geld", ein Remake des Klassikers gedreht, als sechsteilige Miniserie.

Wie Fritz Lang, der "M" mit seiner damaligen Frau Thea von Harbou schrieb, verfasste Schalko mit seiner Ehefrau Evi Romen das Drehbuch zur Serie. Wie im Original steht auch im Remake nicht eine der Figuren im Mittelpunkt, sondern es geht um den Ablauf, das kollektive Handeln gesellschaftlicher Gruppen und die Stadt. Schalko hat die Handlung nach Wien in die Jetztzeit verlegt. Und wie der Macher des Films so taucht auch der 46-jährige Autor und Regisseur der Serie tief in die Psychologie der Figuren ein, was der Produktion eine einzigartige Sogwirkung verleiht.

Geblieben ist auch das musikalische Leitmotiv des Originals, das der Kindermörder stets vor seinen Taten vor sich hin pfeift: "In der Halle des Bergkönigs" aus Edvard Griegs "Peer Gynt-Suite Nr. 1., eine Komposition, die übrigens zu den am häufigsten in Filmen verwendeten klassischen Stücken zählt.

Alles beginnt im nächtlichen, verschneiten Wien. Ein Mädchen läuft mit dem Schulranzen auf dem Rücken durch die menschenleeren Straßen. Aus dem Off hört man einen Nachrichtensprecher, der von einem verschwundenen achtjährigen Flüchtlingskind aus Afghanistan erzählt und einen Politiker, der ein Heimatschutzministerium fordert. Das Mädchen betritt die Wohnung, die überforderte Mutter schimpft, weil die Kleine ihre Jacke vergessen hat und schickt sie zurück zum Spielplatz, um diese zu holen. Dorthin rennt sie, dann hört man nur noch das Pfeifen. Bald gibt es weitere Kinderleichen. Die Polizei tappt im Dunkeln, der Innenminister schürt die Angst in der Bevölkerung, bald ist jeder verdächtig. Der Fall eskaliert, die Wiener Unterwelt fürchtet um ihre Geschäfte. Und so gehen schließlich alle auf Mördersuche: Sowohl Verbrecher, als auch der Mob und die Polizei.

Schalkos Miniserie ist ein sehr düsteres, hochpolitisches Schauermärchen über eine Verbrechensserie, die enorme gesellschaftliche und politische Auswirkungen hat. Sie lässt Menschen in einen - nicht nur seelischen - Abgrund stürzen und sieht Kräfte emporkommen, die aus dem Leid anderer ihre Karrierepläne schmieden.

Politik, Medien, Unterwelt, Polizeiapparat - sie alle werden in der österreichischen Miniserie als Bestandteile eines hoch explosiven gesellschaftlichen Pulverfasses zwischen Populismus und Fremdenangst gezeigt.

Filmisch überhöht Schalko seine Serie, arbeitet mit Kunstgriffen und Stilisierungen, setzt auf satte Farben und viel Spannung. Er will keinen Realismus, aber die (politische) Brisanz ist über die sechs Folgen sicht- und spürbar. Da nutzt der rechtspopulistische, narzistische Innenminister (posiert gerne nackt vor dem Spiegel) die Mordserie für seine Forderungen nach härteren Gesetzen, Ausnahmezustand und Überwachung, und arbeitet Hand in Hand mit einem skrupellosen Medienmogul. Da zeigt sich die Königin der Unterwelt als brutal-zynische Domina der Bettler.

Die Besetzung ist vom Feinsten - Verena Altenberger, Moritz Bleibtreu, Lars Eidinger, Julia Stemberger, Udo Kier, Bela B. , Dominik Maringer, Christian Dolezal, Sarah Viktoria Frick und Gerhard Liebmann (als M) - spielen durchweg überzeugend. Mit "M" ist Schalko eine fesselnde Serie gelungen, die in der Alpenrepublik für Aufregung sorgen dürfte, aber hierzulande wohl darunter leidet, dass sie - vorerst zumindest - nur über TV Now, dem Streaming-Portal der Mediengruppe RTL, zu sehen ist.

M - Eine Stadt sucht einen Mörder, 6 Folgen, abrufbar über TVnow.

Volker Bergmeister