Thalmässing
Reißleine gezogen

30.06.2011 | Stand 03.12.2020, 2:41 Uhr

Thalmässing (stt) Die Beweisaufnahme war ziemlich verfahren. Sie hatte ein äußerst unklares Bild ergeben. Da entschloss sich Gerda Neubauer, „die Reißleine zu ziehen“. Nach einer fast 20-minütigen Unterbrechung stellte die Richterin das Verfahren gegen Herbert. H. ein.

Mit Zustimmung des Staatsanwalts, des Nebenklagevertreters und des Verteidigers verfügte das Amtsgericht Schwabach, der 23-jährige Thalmässinger müsse 1000 Euro Schmerzensgeld an seinen mutmaßlichen Kontrahenten vom 12. Dezember vergangenen Jahres zahlen.

Während einer Geburtstagsfeier in der Thalmässinger Fußballerhütte war es zum Streit gekommen. H. soll Christian F. ins Gesicht geschlagen und mit ihm gerangelt haben. Als F. die Feier verließ, soll ihm H. gefolgt sein und ihn mit einem Faustschlag zu Boden gestreckt haben. Blutende Verletzungen, Schürfwunden sowie eine Jochbein- und Kieferprellung waren die attestierten Folgen. Eine Knieprellung habe er ebenfalls erlitten, sagte Christian F. Er sei zwei Wochen krank geschrieben gewesen.

Die Staatsanwaltschaft warf Herbert H. vorsätzliche Körperverletzung vor. Doch die Schilderungen des Geschädigten auf der einen und des Angeklagten sowie eines Zeugen auf der anderen Seite wichen erheblich voneinander ab. Staatsanwalt Markus Hoffmann setzte den Zeugen Norbert W. nach dessen Aussage deshalb erheblich unter Druck. „Sie haben hier nicht die Wahrheit gesagt“, stellte der Anklagevertreter mehrfach in scharfem Ton fest, drohte W. mit einer sofortigen Festnahme wegen Falschaussage und ließ zwei Gerichtspolizisten kommen.

Norbert W. hatte zuvor im Wesentlichen die Angaben des Angeklagten bestätigt. Danach seien er und H. Christian F. auf dem etwa 100 Meter langen Weg von der Fußballerhütte zur Bushaltestelle gefolgt. Dabei habe sich F. auf einmal umgedreht. Er habe schnellen Schrittes auf Herbert H. zugesteuert. „Als wollte er ihn angreifen“, erinnerte sich W. Daraufhin habe H. eine „Abwehrbewegung gemacht und F. ist hingefallen“.

Weder Richterin noch Staatsanwalt wollten dieser Schilderung Glauben schenken. „Manches wissen Sie ganz genau, an anders wollen Sie sich nicht mehr erinnern können“, meldeten beide ihre Zweifel an. „Können Sie einen Faustschlag ausschließen“, insistierte der Staatsanwalt. „Ich habe keinen Faustschlag gesehen“, beharrte W. Trotz der beiden Vollzugsbeamten, die nun mit Handschellen im Anschlag die Türen des Sitzungssaals bewachten, blieb W. bei seiner Aussage. „Sie verlassen den Gerichtssaal nicht als freier Mann“, drohte Staatsanwalt Markus Hoffmann erneut und warf dem Zeugen vor, „einiges dazugedichtet zu haben“. Damit rief er Verteidiger Gerhard Hefele auf den Plan. „Das ist doch jetzt etwas überzogen“, trat er für den Zeugen ein. Offenbar sah auch die Richterin die Gefahr eines freien Falls in die Einschüchterung. Ihre Reißleine stoppte ihn schließlich.