"Reisender in Sachen Weltkirche"

26.09.2007 | Stand 03.12.2020, 6:28 Uhr

Verleihung der Goldenen Bürgermedaille durch den damaligen Ingolstädter OB Peter Schnell im Jahr 1996. - Foto: DK-Archiv

Greding/Eichstätt/Ingolstadt (DK) Prälat Wilhelm Reitzer feiert heute 90. Geburtstag. Der Geistliche war der erste Pfarrer von St. Augustin in Ingolstadt, Finanzdirektor des Bistums Eichstätt und als Leiter des Europäischen Hilfsfonds für die Kontakte der katholischen Kirche nach Osteuropa zuständig.

Seine 90 Jahre sieht man Wilhelm Reitzer nicht an. Er wirkt mindestens zehn Jahre jünger und ist von einer geistigen Frische, um die ihn wohl viele Jüngere beneiden. Der ranghöchste katholische Geistliche Ingolstadts hat sich auch im hohen Alter seinen Humor bewahrt. Auf die Frage, ob er denn auch Schwächen habe, überlegt er einige Sekunden. "Schwächen? Da fang ich mit dem Aufzählen erst gar nicht an", sagt Reitzer und lacht.

Wilhelm Reitzer hat in neun Jahrzehnten schon viel erlebt – vermutlich weitaus mehr als andere Menschen. Doch gibt es einige Stationen, die dem 90-Jährigen im Gedächtnis haften geblieben sind. "Der Aufbau der Pfarrei St. Augustin, das war für mich einer der Höhepunkte in meinem Leben als Pfarrer", sagt Reitzer, der nach seiner Priesterweihe 1948 Kaplan in Wemding und Greding war. 1958 hatte er zunächst als Kurat und ein Jahr später als erster Pfarrer die neu errichtete Ingolstädter Pfarrei St. Augustin übernommen.

Unvergesslich ist für Reitzer auch seine Arbeit für den Europäischen Hilfsfonds in Wien, einer Einrichtung der Deutschen und der Österreichischen Bischofskonferenz. Als Leiter dieser Einrichtung knüpfte er von 1979 bis 1987 in der Zeit des Kommunismus wichtige Kontakte zu den Ländern des Ostblocks. "In Wien und Moskau habe ich damals immer die Gespräche mit hochrangigen Kommunisten geführt", erinnert sich Reitzer. Seine Aufgabe bestand darin, das kirchliche Leben hinter dem Eisernen Vorhang durch Gespräche und finanzielle Zuwendungen zu unterstützen und zu stärken.

Als "Reisender in Sachen Weltkirche" knüpfte Reitzer aber auch viele Kontakte mit Indien, vor allem mit der Eichstätter Partnerdiözese Poona, aber auch mit Diözesen in Zentralafrika und Lateinamerika.

Dass ihn sein Dienst in der Kirche einmal auf mehrere Kontinente führen würde, war ihm nicht in die Wiege gelegt. "Ich wollte schon als Kind Pfarrer werden", erinnert sich der Jubilar, der 1917 in Zandt im Landkreis Eichstätt geboren wurde. Von den Gebeten einer tiefgläubigen Großmutter begleitet, drängte der kleine Wilhelm den Vater, ihn in Eichstätt das Gymnasium besuchen zu lassen. Das Studium der Theologie wurde durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. In einem Kriegsgefangenenlager für Priester und Theologiestudenten in Chartres konnte Reitzer sein Studium beenden.

Strenger Tagesablauf

"Dort erhielt ich dann die endgültige Bestätigung", erinnert sich Reitzer. Die Bedingungen, unter denen der spätere Prälat studieren musste, waren geradezu primitiv. "Ein strenger Tagesablauf, ein Leben in Baracken, keine Schränke und die ganzen Habseligkeiten im Stockbett", beschreibt der 90-Jährige diese Zeit. Einmal besuchte der Apostolische Nuntius Angelo Roncalli die Gefangenen, der spätere Papst Johannes XXIII. Dessen Bild hängt – neben Fotos seiner Familie und seiner Studenten – heute noch in Reitzers Wohnzimmer.

Der 90-Jährige hat sich im Laufe seines langen Lebens nicht nur um die Weltkirche gekümmert. Er war zwölf Jahre Diözesenpräses des Kolpingwerkes in der Diözese Eichstätt sowie als Vorstand des Diözesan-Bauamtes, als Finanzdirektor der Diözese und nach seiner Rückkehr nach Ingolstadt als Hochschulseelsorger tätig. Von 1989 bis 1997 betreute der emeritierte Domkapitular die Studierenden der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Eichstätt-Ingolstadt. Seit 1997 ist er Seelsorger im Heilig-Geist-Spital in Ingolstadt, neben dem er wohnt. Er liest dort noch die Hl. Messe und hilft gelegentlich sogar noch als Mitzelebrant bei der Frühmesse im Münster aus. Im Oktober will er allerdings damit aufhören, was aber nicht heißt, dass er sich ganz zurückzieht. "Machen, was noch geht", lautet seine Devise für die Zukunft, der er ziemlich gelassen entgegen sieht: "Ich nehme es an, wie Gott es schickt."

Für sein vielfältiges Wirken erhielt Reitzer zahlreiche Auszeichnungen. Er ist Inhaber des Bundesverdienstkreuzes, Ehrendomherr, Ehrenbürger seiner Heimatgemeinde Denkendorf und Träger der Goldenen Bürgermedaille der Stadt Ingolstadt, die ihm zu Ehren heute einen Empfang gibt.