Stadtgeflüster
Reinheitsgebot reloaded

16.06.2021 | Stand 16.06.2021, 21:33 Uhr

Die aufrüttelnde Botschaft war nicht zu überhören, zumindest für die wenigen handverlesenen Fernsehkunden, die im November 1956 des ersten Werbespots der bundesrepublikanischen TV-Geschichte teilhaftig werden konnten: "Oh Schreck, ein Fleck!

" Die Szene mit Liesl Karlstadt und Beppo Brem sollte die große Tradition der deutschen Waschmittelwerbung begründen und kam zu dem Resümee: "Der gebildete Mensch sagt nur: Persil! " Nazizeit und Kriegshorror waren gerade erst vor elf Jahren zu Ende gegangen. Eine ganze Nation begann, ihre Hände in Unschuld zu waschen sowie ihre schmutzige Wäsche mit Persil, Dash, Omo und Ariel, aber sowas von porentief rein, dass die pummelige TV-Figur Klementine den Hausfrauen nach erfolgreichem Hauptwaschgang einen Persilschein ausstellte, auch wenn sie selbst bei Ariel unter Vertrag stand.

Es war ein geradezu fanatischer Sauberkeitsdrang, der sich nun Bahn brach und mit der Verbreitung von Millionen Waschmaschinen feldzugartig austoben konnte. Dash wusch jetzt so weiß, weißer geht's nicht, doch keiner wusch reiner als Omo, und Meister Proper putzte so sauber, dass man sich drin spiegeln, gegebenenfalls auch vom Fußboden essen konnte. Das Wirtschaftswunder erschuf ein hygienisch tadellos gepflegtes Gemeinwesen, das sich vorerst leider nur bis zur Zonengrenze erstreckte. Manchem steckten zwar immer noch die alten unangenehmen Geschichten von früher in den Kleidern, aber für besonders empfindliche Textilien gab's ja inzwischen die chemische Reinigung.
Wer vermutet hatte, die Stadt Ingolstadt habe ihre historische Mission auf dem Feld der Volkshygiene durch die Verkündung des Bier-Reinheitsgebotes 1516 bereits erfüllt, der sah sich getäuscht. Topadressen der Reinigungsbranche wie Vierheilig, Stöcker und Klingele - der zuletzt bekanntgewordene Altlastenfall -, bewiesen, dass sich mit dem massiven Chemieeinsatz gutes Geld verdienen ließ.

Künftige Generationen von Archäologen sind daher gut beraten, sich mit Schutzanzug und widerstandsfähigem Schuhwerk auszurüsten, wenn sie sich im kontaminierten Erdreich dieser Stadt zu schaffen machen.

rh