Regensburg
Regensburger Biographie aus Bildern

Der Fotograf Franz Joachim Braunmiller sucht in der Altstadt Perspektiven, die nur er kennt

20.09.2019 | Stand 02.12.2020, 13:01 Uhr
Der Regensburger Dom zählt zu Franz Joachim Braunmillers Lieblingsmotiven. Direkt neben der Kathedrale hat er seine Galerie. −Foto: Rast

Regensburg (rat) Eigentlich müsste Regensburg eine totfotografierte Stadt sein.

Millionen von Touristen haben die Steinerne Brücke bis zum Steinerweichen abgelichtet. Der majestätische Dom dürfte aus jedem erdenklichen Blickwinkel verewigt worden sein. Die malerischen Altstadtgassen sind noch öfter durch Kameralinsen erfasst worden als Heidi Klum.

Aber diesem Regensburg, das man rein fotografisch unter der Rubrik erledigte Fälle einordnen möchte, lassen sich faszinierende neue Perspektiven abgewinnen. Diesen Beweis tritt Franz Joachim Braunmiller an. Der 65-Jährige streift mit seiner Kamera durch die Altstadt, bevor die Touristenmassen in das Weltkulturerbe einfallen. Viele seiner Bilder entstehen kurz nach Sonnenaufgang. Zusätzlich zählt geduldiges Warten auf den unwiederbringlichen Augenblick, den einzigartigen Lichtstrahl, den Moment des ersten Morgenrots oder den ungewöhnlichen Schattenwurf zu Braunmillers Stärken. Er wartet auf "die göttliche Sekunde, wenn sich die Wolken für den ersten Sonnenstrahl teilen", wie er in seinem Bildband "Traumstadt" schreibt. "Manchmal bin ich drei Stunden unterwegs und komme ohne ein einziges Foto heim", berichtet er. Seine Bilder seien oft Unikate, nicht wiederholbar. "Denn das Licht verändert sich in Minuten. "

Nur selten verliert sich eine Person oder hin und wieder ein Radfahrer oder Auto auf Braunmillers Bildkompositionen. Im Mittelpunkt steht das Porträt der Bauten, der Stadt, die Braunmiller so liebt. "Ich inszeniere Regensburgs Architektur", sagt er.

Dabei ist der Künstler streng genommen kein Regensburger - und auch kein gelernter Fotograf. Er stammt aus dem Allgäu, wird 1954 in Egg an der Günz geboren. Zum Studium der Sozialpädagogik verschlägt es ihn nach Eichstätt. An der dortigen Universität inspiriert ihn ein Dozent zur Fotografie, händigt ihm eine Kamera aus und den Schlüssel zum Fotolabor. Der Autodidakt hat seine Passion entdeckt.

Das Motiv seines Lebens findet Braunmiller, als ihn die Liebe zu seiner Frau bald darauf nach Regensburg führt. Als Zugereister entdeckt er Details, die Einheimische in der täglichen Hatz nicht wahrnehmen. "Ich suche die Perspektive, die nur ich kenne", erklärt er. Dabei schreckt Braunmiller vor unorthodoxen Aktionen nicht zurück. Mal watet er in Fischerstiefeln in die Donau, mal hackt er eine Eisschicht des Flusses auf, taucht im Neoprenanzug ins eiskalte Wasser ein, um seine Kamera in einer bestimmten Weise zu platzieren. Es gibt kaum einen Turm in der Regensburger Altstadt, den er mit seiner Kamera nicht erklommen hat. Seine fotografische Philosophie ist simpel: Da seine Lieblingsmotive aus unverrückbaren Steinen bestehen, muss er selbst sich bewegen, um die perfekte Perspektive zu finden. So wird er zum bildnerischen Biographen der Stadt.

Braunmillers vom fotografischen Realismus beeinflusste Kunst erringt rasch Aufmerksamkeit. Bereits 1979 stellt er zum Thema Regensburg beim Kunst- und Gewerbeverein erstmals Werke aus. Bald folgen Auszeichnungen, darunter der Kulturpreis der Oberpfalz oder der Titel "Lichtbildner des Jahres", verliehen von der Fotografischen Gesellschaft Regensburg. Ein Werk von ihm bereichert die aktuelle Ausstellung "150 Jahre Domtürme". Im Regensburger Krankenhaus St. Josef ist unter dem Titel "Fliessende Perspektiven" eine Schau mit Braunmiller-Fotos zu sehen.

Dabei macht Braunmiller seine Leidenschaft nie zum Beruf. Der Vater von drei Kindern arbeitete bis vor wenigen Monaten als Familientherapeut an einer Regensburger Beratungsstelle, er war zudem mehrere Jahre als Lehrbeauftragter der Hochschule in Regensburg tätig. Erst seit wenigen Monaten ist er in Rente. "Jetzt bin ich zu 100 Prozent Fotograf", sagt Braunmiller zufrieden.

Eine atemberaubende Galerie für seine meist großformatigen Bilder hat er sich schon im Jahr 2008 in den hohen und würdevollen Räumen des Hauses Heuport eingerichtet, also in Steinwurfweite vom Hauptportal des Domes. Direkt hinter dem Ausstellungsbereich liegt die Privatwohnung der Familie. Das verschafft Braunmiller einen einmaligen Standortvorteil. In wenigen Minuten erreicht er zu Fuß jeden Punkt der Regensburger Altstadt. Er kann prompt auf jedes Wetter, jede Lichtstimmung reagieren und mit seiner Kamera losziehen. Seine spezielle Bildkunst könnte er in keiner anderen Stadt zelebrieren.

Früher fotografierte Braunmiller ausschließlich analog. Das relativ teure Filmmaterial zwang dazu, "kein überflüssiges Bild zu machen", wie er erläutert. Zudem musste man immer zwei bis drei Wochen warten, ehe das Ergebnis der Bemühungen aus dem Fotolabor kam. "Das Warten gab den Bildern eine gewisse Wertigkeit. " Inzwischen nutzt Braunmiller die Vorzüge der digitalen Fotografie, "auch wenn sie dazu verführt, mehr Bilder zu machen", wie er selbstkritisch sagt. Doch die Nachbearbeitung am Computer bleibt für ihn ein Tabu. Er legt Wert auf die Feststellung, dass er ausschließlich vorhandene Lichtquellen nutzt, sei es natürliches Licht oder zum Beispiel das einer Straßenbeleuchtung.

Kunstfreunde investieren mittlere vierstellige Summen in seine großflächigen Bilder. Der Künstler garantiert, dass jedes Motiv maximal sechs Mal verkauft wird. Zu Braunmillers Kunden zählen renommierte Regensburger Firmen und Kanzleien. Der Künstler hofft, dass der Betrachter sofort ins Bild hineingezogen wird und darin auch nach Jahren immer wieder neue Details entdeckt. Wenn ihm ein derartiges Foto gelingt, ist Franz Joachim Braunmiller zufrieden. "Aber eigentlich sind Fotografen ja unglückliche Menschen", weiß er. "Denn wir fotografieren immer knapp am perfekten Bild vorbei. "

Weitere Informationen über Franz Braunmiller und seine Fotokunst findet man im Internet unter www. galerie-braunmiller. de