Eichstätt
Rechnen mit der Not

Förderverein Stadtmuseum präsentiert in der Innenstadt neue Themen aus der Eichstätter Welt

12.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:11 Uhr
Mitten in der Innenstadt liegen die Schaufenster des Stadtmuseumsfördervereins, die von der Vorsitzenden Beate Hueber und vom Künstler Stefan Weyergraf neu bestückt worden sind. Ein Thema ist dabei die Stadtkasse. Die Spiegelung des Rathauses und das Thema des Fensters ergänzen sich hier sehr schön. −Foto: Asbach-Beringer

Eichstätt - In den Schaufenstern von Wilhelm Eisenhart und des International House am Marktplatz kann sich der geschichts- und stadtinteressierte Betrachter an der frischen Luft - quasi in coronafreier Umgebung - drei Themen der Jetzt- und Vorzeit Eichstätts widmen.


Rechtzeitig zum Einstand der neuen Stadtregierung und des neuen Stadtoberhaupts möchte der Verein besonders der Stadtkasse ganz viel Glück wünschen.

So findet sich in einem Fenster eine Rechenmaschine aus den 1920er Jahren, die Albert J. Günther vom Historischen Verein aus den Rathausbeständen gerettet hat. Dieses aus heutiger Sicht skurrile Gerät verdeutlicht die schlichte und sehr begrenzte Kameralistik der damaligen Zeit, als das Rechnen mit der Not an der Tagesordnung war. Erst mehr als 50 Jahre später sollte mit dem Beginn der Städtebauförderung die Jahrhunderte währende Finanzmisere der armen Stadt gelindert werden.

Auf einem Gemälde, einem Speicherfund bei Li Portenlänger, schwebt ein Engel über diesen profanen Zuständen: Dieser segnet den Marktplatz - gewiss mit dem Wunsch verbunden, dass sich durch himmlisches Wohlwollen die Erträge der Stadt - und womöglich auch des Bistums - vermehren mögen.

Viele Menschen wissen es wahrscheinlich nicht, aber Eichstätt war vor rund 500 Jahren auch einmal eine wohlhabende Stadt. Damals sorgten die Tuchmacher durch ihren europaweiten Handel mit Eichstätter Stoffen aller Art für Wohlstand im damaligen Fürstbistum, was ein weiteres Fenster thematisiert, in dem auch ein historischer Webstuhl aus den Beständen des Klosters St. Walburg zu sehen ist. Schon im 10. Jahrhundert sind kostbare Luxusstoffe aus Eichstätter Produktion nachweisbar. Später konzentrierten sich die Tuchmacher auf Massenexport taugliche Ware geringerer Qualität, die in halb Europa abgesetzt wurde. Anhand von Steuertabellen lässt sich deren weite Verbreitung nachweisen.

Dass die Tuchmacher das wirtschaftliche Rückgrat der Stadt waren, zeigte sich auch in ihrer Rangordnung bei der Fronleichnamsprozession: An vorderster Stelle - vor allen anderen Handwerkergruppen - durften sie aufmarschieren. Dies war eine Ehrenplatzierung, die ihre Bedeutung in Wirtschaftsleben der Stadt widerspiegelt. Die Tuchmacher sicherten bis zum 30-jährigen Krieg den Wohlstand Eichstätts.

Ein hochaktuelles Thema dieser Tage, nämlich die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung, wollte der Förderverein nicht auslassen. Heute bietet der medizinische Fortschritt an die 80 niedergelassenen Ärzte in der Stadt, die Klinik nicht mitgerechnet. Um 1910 kümmerten sich nur fünf Ärzte um eine Bevölkerung von ungefähr 7000 Einwohnern. Ein Schaufenster erzählt in diesem Zusammenhang vom praktischen Arzt Dr. Karl Rug, der damals mit seinem Hochrad (Leihgabe von Edeltraud Held) zu den Patienten bis nach Obereichstätt fuhr. Mühevoll war zu dieser Zeit das Tagesgeschäft, nur rudimentär die Behandlung.

Gegen Infektionskrankheiten wie Typhus, Cholera, Tuberkulose und Influenza war der Arzt meist machtlos, denn das Wissen um diese Krankheiten befand sich in den Kinderschuhen, und Antibiotika mussten erst noch erfunden werden. Eine Aufklärung der Bevölkerung, wie in diesen Corona-Tagen, gab es bei Epidemien nicht. Ganz im Gegenteil: Als 1918 die Spanische Grippe zig-Tausende an Menschenleben forderte, schwieg die Presse. Man wollte die Bevölkerung nicht beunruhigen.

Trotz eines hoch entwickelten und gut organisierten Gesundheitssystems wird der Kampf gegen immer neue Viren, die uns mit unbekannten Krankheiten bedrohen, auch im 21. Jahrhundert noch eine Herausforderung für die Medizin sein. Der Förderverein Stadtmuseum Eichstätt wünscht allen Einheimischen und Touristen viel Vergnügen mit dem innovativen Innenstadt-Projekt "Schau. Fenster. Tour".

EK