Obermässing
Rebellion mit Reimen

Der 16-jährige Gymnasiast Michael Dorner aus Obermässing stellt sich erstmals einer Slam-Konkurrenz

15.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:12 Uhr

Kreativ an der Gitarre und mit dem Schreibblock zeigt sich Michael Dorner aus Thalmässing. An diesem Donnerstag misst sich der 16-jährige Gymnasiast in der Rother Kulturfabrik beim Poetry-Slam mit bekannten Größen der Branche. - Foto: Luff

Obermässing (HK) "Die Aufregung ist da", sagt Michael Dorner. "Schon seit einigen Wochen." Denn der Zeitpunkt rückt immer näher: Der 16-Jährige aus Obermässing wird an diesem Donnerstag sein Debüt als Poetry Slammer geben. Vor großem Publikum in Roth.

Zum ersten Mal wird Michael Dorner in der Kulturfabrik seine Texte vortragen. Gedichte. Kleine Geschichten. Ausformulierte Gedanken. Eine Auswahl dessen, was er in den letzten Wochen und Monaten aufgeschrieben hat. "Philosophie eines 16-Jährigen", so ist das Büchlein überschrieben, das der Obermässinger zusammengeheftet hat. Untertitel: "Von Schmerz und Gedanken." Ausgedruckt etwa im Format Din-A-6. Und deshalb zuvor in den Computer eingetippt. Das ist eigentlich die Sache von Michael Dorner nicht. "Die Verbindung zur Sprache ist handschriftlich viel mehr da als über die Tastatur", findet er.

Durchaus erstaunliche Gedanken eines sogenannten Digital Natives: Der Schüler wächst in einer Generation heran, für die Smartphones und Tablets unabdingbar sind. Jedoch: "Ein Bildschirm lenkt ab", sagt Michael, das Handschriftliche habe für ihn dagegen eine "gewisse Ästhetik".

Mit dem Schreiben begonnen hat der Elftklässer "aus Langeweile in der Schule", wie er erzählt. Begeisterung für das Buch habe er schon früh entwickelt, "früher habe ich sehr viel gelesen, nächtelang - vor allem Fantasy". Die Grundlage war also gelegt. Doch dann kam der Schulalltag. "In der Schule wird einem die deutsche Sprache abtrainiert", kritisiert Dorner. Das Schulfach Deutsch finde er ohnehin "nicht so prickelnd", vom Ergebnis seiner jüngsten Klausur - zwölf Punkte, also eine gute Zwei - war er selbst überrascht. "Aber das war eine Erörterung, da wird auf die Sprache Wert gelegt." Gedichtinterpretationen? "Nee", sagt Michael und grinst. Vor allem, wenn man selbst schreibe, falle es einem nicht leicht, in die Texte von Autoren Gedanken hineinzuinterpretieren. "Das Problem ist nicht der Lehrer, sondern der Lehrplan."

Seine Deutschlehrerin am Hilpoltsteiner Gymnasium, Beate Burkard, hat sogar einen entscheidenden Impuls gegeben, dass Michael den Poetry Slam für sich entdeckt hat. Weil sie in der Klasse von der Veranstaltung in der Kulturfabrik erzählt hat, ist er hingefahren. Mittlerweile schon zwei Mal. Und beim dritten Mal wird er nun also selbst auf der Bühne agieren.

Letzteres ist keine neue Erfahrung für den Obermässinger. In der Q 11 will und darf er zugleich im Mittelstufen- und im Oberstufentheater mitspielen. Ein Keyboard, mehrere Akustik- und E-Gitarren in seinem Zimmer zeugen von Michaels Musikalität, "mit dem Bass habe ich jetzt auch angefangen". Und so ist er sich längst sicher: "Das Gefühl, auf der Bühne zu stehen, mag ich sehr."

Als künstlerisch kreativer Mensch spricht ihn der Poetry Slam an, weil man hier besonders gut Emotionen sprachlich transportieren könne, so der Jugendliche. "Man kann aus sich rausgehen - und gleichzeitig in sich reingehen." Was Michael findet, wenn er "in sich reingeht", ist ein nachdenklicher junger Mann. "Rebellieren, rebellieren, rebellieren" - das seien die wichtigsten drei Aufgaben für die junge Generation, sagt er. Gerade die Jüngeren müssten "erst einmal dagegen sein und frischen Wind reinbringen". Dann seien die Erwachsenen gefordert zu argumentieren. Könnten sie die Jungen überzeugen - gut. Wenn nicht, zeige das, dass sich etwas ändern müsse. Er hat ein bisschen etwas von den "Angry Young Men" Mitte des vergangenen Jahrhunderts, wenn Michael Dorner so spricht. Doch handelt er auch - im Kleinen, wie er selbst grinsend feststellt. So habe er einmal im Supermarkt CDs der umstrittenen Bands Frei.Wild und Böhse Onkelz aus ihren Fächern genommen und hinter die Scheiben anderer Gruppen gesteckt. Versteckt. "Ich finde Rechtsrock abartig", sagt Michael. Es sei eine kleine Aktion gewesen, die keiner merke. Er aber habe für sich ein Zeichen gesetzt.

Derartiger Humor schimmert auch in seinen Texten durch. Freunden gefalle das, sagt Michael. Bei anderen in seinem Jahrgang komme das weniger gut an. So sei er sehr gespannt darauf, wie das Publikum in Roth auf seine Vorträge reagieren wird. "Vielleicht muss ich meinen Stil ändern", fragt er sich. Schließlich soll das Debüt nicht der letzte Auftritt als Poetry Slammer gewesen sein, "der Einstieg soll süchtig machen".

Seine Texte hat Michael längst ausgewählt. In der ersten Runde des Poetry Slams darf jeder Teilnehmer etwas vortragen. Die Zuschauer, die zuvor eine Abstimmungstafel bekommen haben, entscheiden dann durch ihre Wertungen, welche beiden Slammer ins Finale kommen. Dort entscheidet der Applaus des gesamten Publikums, wer den Poetry Slam für sich entschieden hat. Vorbereitet hat sich Michael für drei Durchgänge. Doch wirklich unzufrieden wäre er keineswegs, falls es über die erste Runde nicht hinausgeht, wie er sagt: "Auf keinen Fall enttäuscht - bei den Leuten, die dabei sind." Alleine diese Slammer, die er sonst lediglich auf dem Videokanal YouTube sieht, kennenzulernen, "ist einfach nur geil".

Vorbilder hat sich Michael schon auserkoren. Zum einen Jan Philipp Zymny aus Wuppertal, zweifacher Gewinner der deutschen Poetry-Slam-Meisterschaft. Zum anderen Y-Titty, das Comedytrio aus Hilpoltstein, das 2014 einen Echo gewann. "Das waren Ikonen, auch noch von unserer Schule", schwärmt er. "Leider haben sie aufgehört."

Zeit also, dass am Gymnasium in Hilpoltstein ein Nachfolger für Y-Titty gefunden wird. Dass er dies sein kann, bezweifelt Michael Dorner jedoch selbst: "Es ist ein Traum, mit der Kunst etwas zu erreichen", sagt er. Und gibt sich äußerst realistisch: "Davon leben kann man nicht." Eher schwebe ihm vor, Grundschullehrer zu werden. Nicht nur, weil Kinder eine fröhliche Lebenseinstellung hätten, sondern weil man "Kindern noch etwas beibringen kann - im Gymnasium kann man nur noch vorkauen". Ausgereift sei dieser Plan aber noch nicht, sagt Michael und lacht. Doch Lehrer an der Grundschule zu sein, hätte zumindest einen weiteren Vorteil: "Man kann seine Gitarre mitnehmen."