stadtgeflüster
Ray Ban und die Glastür

19.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:51 Uhr

(tsk) Was muss dieser Ray Ban für ein Leben führen!

Filmstars, Topunternehmer und Millionen andere Menschen tragen seit Jahrzehnten seine Sonnenbrillen. Wir stellen uns vor, wie er in seiner Villa in Kalifornien residiert, zwischendurch mit seinem Boot, ach was, seinem Schiff in Monaco vor Anker liegt und stets gern gesehener Gast bei den bedeutendsten Empfängen dieser Welt ist. Nur ist Ray Ban kein Mensch. Der Markenname bedeutet schlicht ins Deutsche übersetzt "Strahlenschutz". Das US-Militär hatte Ende der 20er-Jahre den Hersteller von medizinisch-optischen Geräten Bausch & Lomb damit beauftragt, eine Brille zu entwickeln, die den immer höher fliegenden Piloten einen gewissen Schutz vor der Sonne bietet - die Geburtsstunde des stilbildenden Modells Aviator.

Wie es wirklich ist und was wir uns so vorstellen, das sind nun mal zwei verschiedene paar Schuhe. Fragen Sie nur mal bei Audi nach: Da brüteten Marketingexperten mit "e-Tron" den scheinbar perfekten Namen für die elektrische Zukunft aus Ingolstadt aus - und mussten dann aus Frankreich erfahren, dass "etron" dort "Kothaufen" bedeutet.

Auch unser Realitätssinn wurde zuletzt auf den Prüfstand gestellt. Anfang dieses Monats ist die Lokalredaktion innerhalb des Hauses in der Stauffenbergstraße vom zweiten in den dritten Stock umgezogen. Und zunächst dachten wir immer wieder, wenn wir das Großraumbüro betraten, der eine oder andere Kollege oder eine Kollegin würde mit einem diskret-vertrauten "Tst" versuchen, unsere Aufmerksamkeit zu erlangen, ohne dass es jemand anderes im Raum mitbekommt - entweder, weil das Thema so brisant ist, dass man es mit niemandem sonst teilen kann, oder weil man die Kollegen nicht stören will. Allerdings blickte uns in diesen Momenten, wenn wir das leise "Tst" wahrnahmen, niemand an, außerdem hörten wir dieses irritierende und erst einmal nicht zu lokalisierende "Tst" auch dann, wenn wir vor allen anderen ins Büro kamen.

Nachdem wir eine aufgrund des Umzugsstresses aufgetretene psychische Erkrankung - nach eindringlicher Prüfung - ausschließen konnten, wagten wir uns an eine Feldstudie. Und am Ende hatten wir die Quelle des Geräuschs tatsächlich ausgemacht: Kurz vor dem Zugehen passiert die geöffnete Eingangsglastür eine metallische Schwelle, das "Tst" entsteht beim leichten Kontakt.

Nun haben wir zumindest dort Realität und Wahrnehmung wieder in Einklang miteinander gebracht - wenn wir jetzt ein "Tst" hören, wissen wir, dass es die Tür ist. Und sollte es doch einmal ein Kollege oder eine Kollegin sein und von unserer Seite keine Reaktion mehr erhalten - dann können sie ja auch eine E-Mail schicken. Bliebe noch das lästige Geräusch. Tja, Ray Ban hätte bestimmt gewusst, wie man das Glas der Tür schleifen muss, damit eben nichts mehr schleift.