Georgensgmünd
Raffinesse bringt Bahn in Zugzwang

Georgensgmünds Bürgermeister Ben Schwarz nutzt PR-Aktion als Plädoyer für Barrierefreiheit

03.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:18 Uhr
Witzige Aktion: Die Georgensgmünder schaffen barrierefreie Tatsachen, indem sie tatkräftig anpacken und den fehlenden Aufzug mit Muskelkraft ersetzen. Das dabei entstandene Video wird an die Bahn geschickt. −Foto: Foto: Schmitt

Georgensgmünd (HK) Mit dieser Raffinesse hat die Bahn gewiss nicht gerechnet. Georgensgmünds Bürgermeister Ben Schwarz hat ein Angebot des Mobilitäts-Konzern genützt, um mit einer großen Gemeinschaftsaktion auf die fehlende Barrierefreiheit am Bahnhof seiner Gemeinde aufmerksam zu machen.

Das Beste: Ein Video davon könnte die Bahn AG selbst ins Internet stellen. Wenn es dann dort mittels Klicks die größte Zustimmung erfährt, wird schon bald ein neuer Zug namens "Georgensgmünd" Nürnberg mit München verbinden.

"Holen Sie sich die Zugtaufe nach Hause, Herr Schwarz." Mit dieser Ansprache hat die Bahn Georgensgmünd zu einem außergewöhnlichen Wettbewerb aufgerufen. Alle Gemeinden mit Haltepunkt entlang der Bahnstrecke Nürnberg-Treuchtlingen-Ingolstadt-München sind angeschrieben worden, um mit einer "selbstgewählten Aktion, die alle begeistert", so die Bahn wörtlich, "die Zugtaufe zu sich in die Gemeinde zu holen." In Georgensgmünd war das ein "Tragedienst", der Menschen mit Behinderung am Mittwoch von 8 bis 18 Uhr abwärts und aufwärts über die Treppen zum Bahnsteig brachte. Ben Schwarz selbst übernahm mehrere Schichten. Pagenkappe und Service-Schild wiesen ihn als Träger aus. Motto: "In Gmünd kommen alle zum Zug. Zumindest heute."

Jede Schicht war mit drei Personen besetzt und dauerte eine Stunde. Dabei hat sich etwa die Hälfte des Gemeinderats beteiligt. Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung sowie des Bauhofs waren freiwillig im Einsatz. Vertreter örtlicher und regionaler Organisationen gehörten ebenfalls zum Trage-Personal. Mit von der Partie waren der VdK mit seinem Kreisvorsitzenden Heinz Bieberle und der Ortsvorsitzenden Dorit Leikam, das Rother Inklusionsnetzwerk mit Chef Paul Rösch sowie den Georgensgmündern Thea Krach und Theodor Neuerer, der Seniorenbeirat mit Vorsitzender Elisabeth Rößler sowie Klaus-Günther Mattlat vom Bundesverband Selbstbestimmung Körperbehinderter und der Asylhelferkreis. Am Morgen war auch Landrat Herbert Eckstein zum Georgensgmünder Bahnhof gekommen, um der Truppe Motivation zu spenden.

Ben Schwarz hatte sich nicht von den Beispielen aus dem Schreiben der Deutschen Bahn inspirieren lassen. Danach hätten die Bürgermeister im Altenheim kochen, Hunde ausführen oder als Marktschreier auftreten sollen.

Schwarz aber wollte den fehlenden Aufzug am Bahnhof in Gmünd ins Spiel bringen. Schließlich kämpfen die jeweiligen Verantwortlichen Georgensgmünds bereits seit 2006 um Barrierefreiheit am örtlichen Verkehrsknotenpunkt.

Ein echter Fortschritt in Richtung "Zugang für alle" zum Bahnsteig gen Süden war allerdings bislang nicht zu erreichen. Erst kürzlich hat die Gemeinde auf eigene Kosten eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen. Ergebnis: Die beiden Aufzüge lassen sich mit vertretbarem Aufwand einbauen. Ein zusätzlicher Übergang im Süden wäre ebenfalls möglich.

Schwarz selbst wird es auch sein, der das gesamte Foto- und Videomaterial sichten und zu einem informativen Zwei-Minuten-Video über die Aktion und ihre Hintergründe zusammenstellen will. Dafür hat er auch Interviews geführt. Bis 3. August soll der Kurzfilm bei der Bahn eingetroffen sein. Die Teilnahmebedingungen hat der Konzern so formuliert, dass er wohl keinen der eingesandten Beiträge ausschließen will.

"Wir bereiten das Material für die Abstimmung vor und laden es auf www.bahn.de/mnx hoch", hieß es. Ab Montag, 6. August, bis Sonntag, 2. September, kann dort dann jedermann das aus seiner Sicht beste Video auswählen. Dank der Raffinesse des Gmünder Bürgermeisters könnte es auch eine Abstimmung über die Dringlichkeit der Barrierefreiheit am Georgensgmünder Bahnhof werden.

Robert Schmitt