Räuberpistole aus der Karlshulder „Bronx“

Zwei Mädchen erfinden Notlüge und lösen Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung aus

17.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:13 Uhr
Ermittlungen auf dem Parkplatz vor der Volksschule Karlshuld: Jugendsachbearbeiter der Neuburger Polizei ließen sich gestern von den beiden Mädchen genau die Stelle zeigen, wo sie »verprügelt« wurden. −Foto: Schanz

Karlshuld (DK) Eine Geschichte verbreitete sich gestern wie Lauffeuer: In Karlshuld sollen sechs Jugendliche zwei neunjährige Schulmädchen geschlagen haben. Die Polizei ermittelte sogar wegen gefährlicher Körperverletzung. Dann stellte sich heraus: Die beiden Freundinnen hatten alles nur erfunden.

Um 18 Uhr klingelte das Telefon: Ein Neuburger Polizeibeamter am Apparat. „Die Geschichte in Karlshuld können Sie vergessen. Das ist eine waschechte Räuberpistole. Die Mädchen haben alles nur erfunden.“ Die Ermittlungen sind abgeblasen. Keine brutalen Schläger vor der Volksschule, kein Zeugenaufruf, keine Fahndung nach bunten Mofas. Viel Aufregung um nichts – zum Glück.

Denn die Geschichte der beiden war erschreckend. Auf dem Nachhauseweg von der Schule, am Rande des großes Parkplatzes, seinen sie plötzlich von mehreren Jugendlichen aufgehalten worden. „Sie haben gesagt, wir dürften hier nicht vorbei“, erzählten die Mädchen gestern den Jugendsachbearbeitern der Polizei auf dem Parkplatz. Dann hätten die sechs Unbekannten auch schon angefangen, sie zu schubsen – und zu schlagen. Im Bericht der Beamten hieß es: „Die Mädchen wurden durch Faustschläge und Tritte mit den Füßen verletzt“. Blaue Flecke und Prellungen: Beide Kinder mussten demnach im Krankenhaus in Neuburg ambulant behandelt werden. „Aufgrund der Verletzungen schließen wir aus, dass die Mädchen den Überfall erfunden haben könnten“, erklärte der Neuburger Polizeichef Ludwig Walter noch am Morgen und ließ wegen gefährlicher Körperverletzung ermitteln. Zeugen sollten Hinweise auf die Identität der unbekannten Täter – „sechs Jugendliche im Alter von etwa 15 bis 16 Jahren“ – liefern. Regionale und überregionale Rundfunk- und Onlinedienste berichteten von den brutalen Schlägern aus Karlshuld, während im Ort und in den sozialen Netzwerken heftig diskutiert wurde. „Das sind ja bald schlimmere Zustände als in der Bronx. Die armen Kinder“, war dort zu lesen, oder: „Blankes Entsetzen!“ Auch die beiden Mädchen waren wohl ein bisschen entsetzt, was sie da losgetreten hatten – und gaben am Abend schließlich zu, alles nur erfunden zu haben. Dabei hatten die beiden Freundinnen einen guten Grund für ihre Notlüge: Sie hatten nach der Schule rumgetrödelt und sich auf der Skaterbahn als Stuntfrauen versucht. Dabei hatten sie sich die blauen Flecke – und besonders ärgerlich: dreckige Kleidung – zugezogen. „Aus Angst, daheim ausgeschimpft zu werden, haben sie dann eben etwas erfunden“, so die Neuburger Polizisten.

Den Arm des Gesetzes haben die Kinder altersbedingt nicht zu fürchten – und auch einer Karriere als erfolgreiche Krimibuchautorinnen steht zukünftig nichts im Wege.