Quietschbunt und mit zwei Hometrainern

In der städtischen Kunsthalle Lothringer13 in München experimentieren 40 Künstler zum Thema Wohnen, Leben, Einrichten

10.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:27 Uhr
Joachim Goetz
  −Foto: Goetz

München - Neue Besen kehren gut, sagt der Volksmund.

Ob das auch die Kunst sagt, lässt sich derzeit in der Lothringer13 in München gleich auf doppelte Weise nachprüfen. Die experimentelle städtische Kunsthalle in einer ehemaligen Maschinen-Werkstatt-Halle in Haidhausen hat nämlich zum einen mit Lisa Britzker und Luzi Gross sowie der Gestalterin Anna Lena von Helldorff eine neue Leitung für die nächsten drei Jahre bekommen, die zum anderen mit einer Präsentation zum Wohnen unter dem Titel "This House ist not a Home" startet. Bestimmt besenrein.

Gross arbeitete an der documenta14 mit und beim Kunstverein Hildesheim. Britzker war am Kunstverein Harburger Bahnhof in Hamburg tätig. Gemeinsam studierten sie zuvor in Hildesheim Kulturwissenschaften. Und jetzt ist nicht nur ihre Team- sondern auch Improvisationsfähigkeit gefragt. Die nicht nur durch Corona auf eine Probe gestellt werden, sondern auch durch die Schließung des "Ladens" zur Straße hin, der als Bar, Bibliothek, Büro genutzt wurde. Dort wurden Schadstoffe gefunden. Nun hat man das beste draus gemacht und ein Projekt initiiert: Thema gemeinsames Wohnen und Arbeiten. Der Besen spielt dabei die kleinere Rolle.

Als reine Ausstellung darf man sich das nicht vorstellen. Denn die Initiative "K 2020", die das Projekt durchführt, lädt bis zum 20. September insgesamt 40 Künstler ein. Diese präsentieren im dauernden Wandel einerseits simulierte Wohnsituationen, die benutzbar sein sollen. Und zwar um dort Modelle und Praktiken des Zusammenlebens künstlerisch zu erproben. Klingt kompliziert? Lassen Sie sich einfach zu einem Gespräch mit den Künstlern einladen, die von Zeit zu Zeit vor Ort sind. Denn Prinzip von K2020 ist es, gemeinsame Sache mit Besuchern zu machen. Das nennt sich dann: "Disziplinen übergreifend Handlungsspielräume und Spannungen austesten, die sich aus der Begegnung zwischen öffentlicher Institution und selbstorganisierter kollektiver Praxis ergeben. " Außerdem sollen praktische Aspekte des Einrichtens in einer neoliberalen Wirklichkeit überprüft werden. Heißt das: Weniger Ikea, mehr künstlerisches Selbermachen?

Es geht freilich um mehr. Ums Hinterfragen eingespielter, aber fragwürdiger Methoden des Wohnens, Lebens, Einrichtens. Um Experimente, um neue Ideen. Für so was sind solche unkonventionellen Kunsthallen da.

Zur Versuchsanordnung gehören natürlich auch - aber nicht nur - die gezeigten Objekte. Bernhard Rappel hat schon mal verschiebbare, bunt bemalte Stellwände gemacht. Zwei Trainingsgeräte von Angela Stiegler - man kann sich im korrekten Viren-Abstand gegenübersitzen - erlauben die Gleichzeitigkeit von Sport und Kommunikation, Stichwort Multitasking.

Auf einem Kleiderständer von Kamilla Bischof dürfen und sollen irgendwie "belastete" Gegenstände abgelegt werden. Ein freier Kopf schadet ja bekanntlich nie. Und eine sonderbar instrumentierte Küche auf Rollen bereitet sich auf ihren mobilen Einsatz vor - überall da wo sie in diesem Haus, das ja kein Heim ist, gebraucht wird. Denn Lectures, Performances, Workshops sind dort an der Tagesordnung - wer weiß wie lange die dauern. Und vielleicht weiß man Ende ja auch, was dieses Haus (wenn schon kein "Home") ist. Die neuen Besen wollen es mit uns hervorkehren.

DK


Bis 20. September in der städtischen Kunsthalle Lothringer13, Lothringer Str. 13, München, geöffnet Mi-So 11-19 Uhr, Eintritt frei.

Joachim Goetz