Ingolstadt
Punktsieg für Seehofer

Von Wolfgang Weber

09.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:23 Uhr

Seit zwei Jahren verlangt CSU-Chef Horst Seehofer, dass Deutschland jährlich höchstens 200?000 Flüchtlinge aufnimmt. Die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat das stets abgelehnt, so entschieden, dass der Streit zeitweise die Bildung einer neuen Bundesregierung zu gefährden schien.

Seit Sonntag aber gilt jetzt für beide Unionsparteien Seehofers magische Zahl - wenn auch als "Richtwert" und nicht mehr als "Obergrenze" -, und schon kann nächste Woche die Sondierung mit FDP und Grünen starten.

Die Kanzlerin gab sich gestern erfreut und lobte das Verhandlungsergebnis mit der CSU als "klassischen Kompromiss". Aber eine Szene in der Nacht zum Montag verrät mehr über Sieger und Verlierer des Pokers: Seehofers Gefolgsleute Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer hatten sich ausgelassen und lachend abgeklatscht, bevor sie in ihre Dienstwagen stiegen. Einzig, dass das Asylrecht unangetastet blieb, kann sich Merkel zugutehalten. Das allerdings wird vom Grundgesetz garantiert und vom Verfassungsgericht geschützt - wirksamer als von jedem Politiker.

Nun ist die 200 000er-Grenze noch nicht Gesetz, sondern erst einmal eine Forderung von CDU und CSU, die bei den gewünschten Koalitionspartnern FDP und Grünen verhalten aufgenommen wurde. Aber für diese beide Parteien gilt wohl, dass die Aussicht auf Regierungsbeteiligung und Ministerposten viele Bedenken ausräumt. Dass der Grünen-Mitvorsitzende Cem Özdemir ausschlägt, nach Einschwenken auf die Unionslinie beispielsweise Außenminister zu werden, ist zwar möglich, aber unwahrscheinlich. So kann Seehofers Obergrenze nach langem Kampf doch noch Realität werden.

Spannend wird es dann im nächsten Jahr bei der Bayernwahl. Denn dann muss sich zeigen, ob Seehofers Strategie mit der Ausländerpolitik aufgeht oder ob die CSU noch mehr Wähler an die ungeliebte AfD verliert. Wähler, für die eine möglichst strikte Haltung bei der Abwehr von Flüchtenden die Lösung aller Probleme zu sein scheint und damit das allein entscheidende Politikfeld. Den Wettlauf um die niedrigste Obergrenze kann auch Seehofer nicht gegen die AfD gewinnen.