Hilpoltstein
"Prügelknaben der Nation"

Bei der Freisprechungsfeier der Absolventen für Haus- und Landwirtschaft in Roth lässt Jürgen Reif aufhorchen

14.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:12 Uhr
Nach dem Absolvieren ihrer Ausbildung gilt es für die Hauswirtschafterinnen nun ihr passendes Einsatzgebiet zu finden. −Foto: Leykamm

Hilpoltstein (HK) Wer sich beruflich in Richtung Haus- oder Landwirtschaft orientiert, hat sich für Branchen entschieden, die je auf ihre Weise im Interesse der Öffentlichkeit stehen. Verinnerlicht hat dies während seiner Ausbildung ganz offensichtlich bereits der Agrarabsolvent Jürgen Reif (Liebersdorf). Seine Rede bei der Freisprechungsfeier beider Berufszweige im Rother Landwirtschaftszentrum löste in dessen Aula Szenenbeifall auch bei den Ehrengästen aus.

Im Agrarwesen könne man sich derzeit wie "in einem Kampf" auf mehreren Ebenen wähnen, wie Reif betonte. Einmal mit der Politik, welche beispielsweise für eine Verschärfung der neuen Düngeverordnung gesorgt habe, ohne die Folgen der Novellierung überhaupt erst abzuwarten. Beim Verbraucher vermisse er indes die "Wertschätzung für die von uns hergestellten Lebensmittel", die seitens des Handels dann auch noch regelrecht "verramscht" würden.

Dass nun auch noch bis zu 35000 Tonnen Rindfleisch aus den USA in die EU eingeführt würden dürfen, erhöhe den Preisdruck nur noch. Dazu geselle sich der öffentliche Druck. Oft habe er den Eindruck, dass "wir die Prügelknaben der Nation sind". Und das, obwohl gerade durch die Ausbildung die fachliche Anforderung sehr hochgeschraubt seien. "Manchmal haben wir uns gefragt, ob wir Chemiker, Biologen oder Tierärzte werden", betonte er die Vielfältigkeit der Lehrinhalte.

Er wünsche sich für seinen Berufsstand "eine faire Bezahlung und noch mehr eine gerechte Behandlung". Mit der Ausbildung habe man nun das Rüstzeug an die Hand bekommen, um gesellschaftlichen Vorurteilen entgegentreten zu können.

Mit dem Abschluss sei "ein wichtiger Meilenstein der beruflichen Karriere erreicht", pflichtete ihm Bildungsberater Matthias Köhle bei. Bei allem Ungemach sei "Landwirt" zudem immer noch einer der schönsten Berufe überhaupt, unterstrich er. Ein bisschen kämpferisch gab man sich auch seitens der anderen Branche, deren Absolventinnen es ebenso zu verabschieden galt. Wie so manche Blume gelte es auch seitens der Freigesprochenen bisweilen "Stacheln zu zeigen", forderte Ingrid Bär auf, Leiterin der Abteilung Hauswirtschaft im Landwirtschaftszentrum. Mit dem Abschluss hätten die frischgebackenen Hauswirtschafterinnen angefangen "zu blühen". Doch nur durch stete Fort- oder Weiterbildung könnten sie "zur vollen Blüte" gelangen.

Mit Abschluss und Berufseinstieg "haben Sie einen Schatz gehoben", sagte Bildungsberaterin Edeltraud Buchner. Nicht nur für sich, sondern auch für diejenigen, um deren Wohlbefinden sie sich kümmerten. Nun gelte es, das passende Einsatzgebiet zu finden. Als Sprecherin unter den Absolventinnen betonte die Prüfungsbeste Elke Nerreter (Röthenbach bei St.Wolfgang) die Vielfalt ihres Berufsstandes. Sie persönlich habe die Ausbildung durchgezogen, um zur Diversifizierung des eigenen Agrarbetriebs beitragen zu können. Ihr Lob galt der Zielstrebigkeit ihrer Kolleginnen. Von den einst angetretenen Auszubildenden seien alle ans Ziel gekommen.

Beide Branchen würdigte in seinen Worten Landwirtschaftszentrumschef Werner Wolf. So seien es etwa die Landwirte, welche die Ackerschätze heben, die dann in der Hauswirtschaft veredelt würden. Und in Bezug auf die kämpferische Rede Reifs betonte er: "Wenn wir alle zusammenhalten, haben wir eine gute Zukunft." In diesem Sinne argumentierte auch Landratstellvertreter Walter Schnell, der zum ehrenamtlichen Engagement ermunterte: "Wir brauchen die Stimme des ländlichen Raumes in Politik und Gesellschaft - da seid ihr gefragt!"

Auch ihre tägliche, für andere lebenswichtige Arbeit bringe große Verantwortung mit sich, so der Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes, Günther Felßner, mit Blick auf die Freigesprochenen. Die Jugend sei "der Schatz unseres Berufsstandes."
 

DIE ABSOLVENTEN IN DER HAUS- UND LANDWIRTSCHAFT

Die Prüfungsbesten der Hauswirtschaft sind (in Klammern Endnote und Wohnort): Elke Nerreter (1,57; Röthenbach bei St.Wolfgang), Eva Gruber (1,70; Mörsdorf), Ramona Rückert (1,70; Eppersdorf) und Eva Müller (1,85;Wallesau). Sie durchliefen den einsemestrigen Studiengang ebenso wie Krisztina Ambrus (Großweingarten), Heike Bauer (Defersdorf), Marina Danner (Poppenreuth), Monica Ghinet (Leerstetten), Elena Kalaschnikova (Gunzenhausen), Anja Kissling (Postbauer-Heng), Marina Lerzer (Freystadt), Ljiljana Leuchtenmüller (Roth), Daniela Meyer (Sulzbürg), Anke Müller (Steindl), Claudia Schwendner (Eysölden), Nadine Tauber (Artelshofen) und Gülül Yilmaz (Neumarkt).

Die Prüfungsbeste der Auszubildenden im dualen System heißt Julia Riepel (1,95; Ziegelmoos). Mit ihr durchliefen die Ausbildung Anna-Maria Christian (Allersberg), Judite Da Silva (Nürnberg), Angela Christina Eckbauer (Wendelstein), Lule Fischer (Fürth), Corinna Kronester (Lauf) und Giulia Peruffo (Wassermungenau).

Rang eins bei den Agrarabsolventen sicherte sich Lukas Maggauer (1,65; Eichelburg) vor Jürgen Reif (1,99; Liebersdorf) sowie Kerstin Hettrich (die Schwabacherin durchlief ihre Ausbildung nach dem Bildungsprogramm Landwirt, kurz BiLa) und Michael Leickam (Harm). Beide Drittplatzierte erzielten eine Endnote von 2,24. Ebenso ihren Agrarabschluss feierten Kevin Bleisteiner (Kucha), Andreas Brandmüller (Eckental), Peter Eberlein (Altkatterbach), Niklas Heßlein (Guggenmühle), Ronja Hinterbuchner (Höttingen), Hannes Kühnel (Altdorf), Tobias Meermann (Mildach), Adrian Niedermayer (Kleinbellhofen), Magdalena Rühl (Leerstetten) und Julia Stroh (Nürnberg).

Jürgen Leykamm