Prozession nach Niedermauk

23.01.2009 | Stand 03.12.2020, 5:15 Uhr

Röttenbach (ao) Einer mehrere Jahrhunderte alten Tradition folgend, feiert die Pfarrei am morgigen Sonntag das Kirchenfest St. Sebastian. Die Prozession, die um 9 Uhr an der Pfarrkirche Maria Königin in Röttenbach beginnt, und das folgende feierliche Hochamt mit Chorgesang, Predigt und Sakramentenspendung im Niedermauker Kirchlein, das sich den Pestheiligen zum Patron erkoren hat, geben dem Tag seine besondere Weihe.

Malerisch auf einem kleinen Hügel inmitten des Dorfes gelegen, ist das geradezu behäbig zierlich anmutende Gotteshaus ein Kleinod gotischer Baukunst reichlich mit barockem Innenschmuck versehen. Der umlaufende Schrägsockel deutet auf eine Bauzeit des Kirchleins um die Mitte des 14. Jahrhunderts hin. Damals mögen die Geiseln des "Schwarzen Todes", die Beulenpest und die gefährlichere und stets tödliche Lungenpest, die von 1349 bis 1351 rund ein Viertel der Bevölkerung Europas dahinrafften, auch in Niedermauk ihre Opfer gefunden haben. Das Maßwerk im Chor, die Fenster mit ihren gotischen Spitzbögen und das Tonnengewölbe der Sakristei, haben wahrscheinlich in dieser Zeit ihr Gesicht bekommen.

Die Not ließ die Menschen vor sechs Jahrhunderten dieses Gotteshaus errichten, damit der "Herr über Wohl und Wehe" in ihrer Mitte wohne. Das Kirchlein, das bis auf den 1626 erhöhten Turm und die Flachdecke des Kirchenschiffes Elemente der Gotik, dem Zeitstil der mittelalterlichen europäischen Hochkultur des 13. bis 15. Jahrhunderts, enthält, wurde dem heiligen Sebastian geweiht, der als Fürbitter der Pestkranken tief im Volksbewusstsein verankert war.

Einige Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Krieg ließ vermutlich ein Blitzschlag das Kirchlein in Flammen aufgehen. Während die Altäre und die Holzdecke dem Feuer zum Opfer fielen, konnten wahrscheinlich viele Statuen rechtzeitig den Flammen entrissen werden. Am Hochaltar, der im Barock gehalten ist, thront St. Sebastian, flankiert vom heiligen Laurentius mit dem Rost und vom heiligen Rochus mit Pestbeulen und Pestschwamm.

Vom linken Seitenaltar sieht die Himmelskönigin mit dem gekrönten Jesuskind am Arm auf die Gläubigen hernieder. Wie Heimatkundler Alfred Gorniak vor Jahrzehnten erforscht hat, besitzt keine Kirche im Umkreis eine Statue von solch kunsthistorischem Wert. Vor über achthundert Jahren entwuchs dieses rund sechzig Zentimeter hohe Kleinod den Händen eines unbekannten Bildschnitzers. Heimatforscher, wie Alfred Gorniak, vermuten, dass diese Madonna am Hochaltar der ersten Röttenbacher Marienkapelle verehrt wurde, die einem Brand im Dreißigjährigen Krieg zum Opfer fiel.

Wenige Meter nördlich des Kirchleins steht eine gotische Weihwassersäule. Sie erinnert an die Jahrhunderte zurückreichenden Pestprozessionen, die bis heute gepflegt werden. In vielen Jahrhunderten zogen einst die Röttenbacher Gläubigen an jedem 20. Januar zum heiligen Sebastian, um seine Fürsprache zu erbitten.