Ingolstadt
Prozess um Felsbrocken auf der Autobahn

Autofahrer streitet nach Unfall am Kindinger Berg vor Gericht um Wiedergutmachung

28.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:37 Uhr

Unfallträchtige Strecke: Am Kindinger Berg haben Polizei und Rettungskräfte schon häufig große Einsätze gehabt. Der jetzt vorm Oberlandesgericht verhandelte Fall spielte sich 2011 in Fahrtrichtung Süden ab, während dieses Foto bei einem Rettungseinsatz auf der Nordroute entstand. Arch - foto: Reiß

Ingolstadt/München (DK) Ein Autofahrer ist auf der A 9 am Kindinger Berg in Richtung Süden unterwegs. Plötzlich rollt vom Steilhang links der Fahrbahn ein fußballgroßes Felsstück auf die Autobahn. Der 70-jährige Fahrer will ausweichen, verliert dabei aber die Kontrolle über seinen Pkw, der sich überschlägt und total demoliert liegen bleibt.

Auch der Fahrer selbst ist schwer mitgenommen: Zusätzlich zu den äußerlichen Verletzungen erleidet er einen Hirninfarkt, dessen Folgen ihn für den Rest seines Lebens behindern werden.

So weit das Unfallgeschehen vom 15. März 2011. Mit den juristischen Folgen dieses nicht ganz alltäglichen Vorfalls muss sich in diesen Tagen das Oberlandesgericht (OLG) München befassen. In zweiter Instanz werden dort derzeit die Schadensersatzansprüche des damaligen Unfallopfers geprüft. Es geht darum, inwieweit der Freistaat Bayern den heute 74-jährigen Mann für den seinerzeit erlittenen materiellen Schaden und für seine dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen entschädigen muss. Zum Unfallzeitpunkt hatten nämlich von der Autobahndirektion Bayern Nord veranlasste Baumschnittarbeiten an dem bewussten Steilhang am Kindinger Berg stattgefunden. Dabei, so schaut es allem Anschein nach aus, hatte sich das Felsstück gelöst.

Die Autobahnmeisterei Greding, so viel steht für die Justiz wohl schon fest, hatte an jenem Tag keine besonderen Sicherungsmaßnahmen für den Verkehr in diesem Streckenabschnitt getroffen. Der geschädigte Autofahrer, ein bereits im Ruhestand lebender Arzt, hatte darin eine schwerwiegende Unterlassung gesehen und den Freistaat als Dienstherrn der Autobahnbehörde verklagt. Er machte Schadensersatz in Höhe von 17 000 Euro für den erlittenen Verlust seines Autos sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 70 000 Euro und die Übernahme möglicher noch entstehender Folgekosten aus dem Unfall geltend.

In einem Prozess vor dem Ingolstädter Landgericht hatte eine Zivilkammer im vergangenen Februar die Haftungsverpflichtung des Freistaates dem Grunde nach bejaht. Doch gegen diese Entscheidung hat der Freistaat Berufung vor dem Oberlandesgericht München eingelegt. Dort hat sich ein Zivilsenat in der vergangenen Woche mit dem Fall befasst und nach Prüfung der Sachlage offenbar ebenfalls dem Grunde nach eine Verpflichtung des Freistaates gesehen, für die Unfallfolgen aufzukommen: Den Vertretern des Freistaates wurde geraten, den Berufungsantrag zurückzunehmen, was allerdings – zumindest in der Verhandlung – noch nicht geschah. Deshalb wurde für die Rücknahme eine Erklärungsfrist eingeräumt, die noch bis zum 9. November läuft. Am 19. November will der Senat dann seine Entscheidung verkünden. Den Streitwert haben die OLG-Richter auf rund 125 000 Euro festgelegt.

Sollte die Berufung zurückgenommen oder abgewiesen werden, dürften die Details einer Wiedergutmachung beizeiten wieder von einer Zivilkammer des Ingolstädter Landgerichts festgelegt werden. Der Kläger hat derzeit jedenfalls einige Aussichten, für seinen schlimmen Unfall endlich entschädigt zu werden.