Prozess auf Kosten der Bürger

02.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:42 Uhr

Zum Bericht „Klage gegen die Stadt wegen ,Untätigkeit’“ (EK vom 29. Januar) und zum Leserbrief „Auf einen Prozess ankommen lassen“ (EK vom 31. Januar/1. Februar):

Oberbürgermeister Andreas Steppberger stellt im Artikel fest, dass die Stadt 2013 meinen Antrag auf die Ausstellung „Kirchenkritik – gestern, heute, morgen“ in der ehemaligen Johanniskirche auf Herz und Nieren prüfte und diesen letztlich doch durchwinken musste. Die Stadt hätte nur begrenzte Möglichkeiten in dieser öffentlich-rechtlichen Einrichtung, die Nutzung durch mich zu untersagen, räumt Steppberger ein. Und die Voraussetzungen, führt er weiter aus, haben sich heute nicht groß geändert. Er erkennt also, dass die Stadt den Prozess mit 95 Prozent Wahrscheinlichkeit verlieren wird, und will ihn trotzdem – auf Kosten der steuerzahlenden Bürger Eichstätts. Da stellt sich doch die Frage, ob der OB mit seinem Privatvermögen auch so leichtfertig umgehen würde. Es ist ja nur das Geld der Bürger . . .

Bezeichnend ist die Visitenkarte des OB Steppberger im Wahlkampf, auf der unübersehbar der Hinweis prangte, dass er der römisch-katholischen Kirche angehört. Als OB hat er jedoch nicht das Recht, seine religiöse Privatüberzeugung anderen Bürgern aufzuzwingen. Wer nicht in der Lage ist, die Interessen der Menschen, die er im Stadtparlament zu vertreten hat, über seine private Glaubenseinbildung zu stellen, der sollte kein politisches Amt übernehmen. Wenn Leserbriefschreiber Bernhard Sutor von Christen berichtet, die im innersten beleidigt sind und sich damit in ihrer Würde verletzt sehen, so soll er sich mal im Gesetzbuch umsehen. Artikel 4 des Grundgesetzes garantiert den Schutz der Religionsfreiheit, nicht jedoch den Schutz der Religion. Das religiöse Empfinden als solches gehört nicht zu den Rechtsgütern, die gegen Beeinträchtigung von privater, dritter Seite grundrechtlich geschützt sind. Und wo Religionsfreiheit gilt, muss es im Umkehrschluss selbstverständlich auch die Freiheit von Religion geben.

Wolfgang Sellinger

Eichstätt