Prozess am Amtsgericht: Jagdszenen auf der B300

13.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:30 Uhr

Neuburg (ND) Als „Jagdszenen auf der Landstraße“ bezeichnete Amtsrichterin Celina Nappenbach den Fall zweier Streithanseln auf der B 300. Wer hatte wen mit der Lichthupe bedrängt? Wer hatte wen gefährlich überholt? Wer hatte wen ausgebremst? Als der Prozess am Neuburger Amtsgericht auf eine Sackgasse zusteuerte, zog Nappenbach die Handbremse und stellte das Verfahren gegen einen 40-jährigen Scheyerner gegen eine Geldauflage von 100 Euro ein.

Verhandelt wurde nicht mehr und nicht weniger als ein alltäglicher Fall von Hahnenkampf im Straßenverkehr. Und die beiden Kontrahenten sahen schon durch ihre Frisuren aus wie streitlustige Gockel. Beide rückten auch im Sitzungssaal keine Reifenbreite von ihrer Version der Wahrheit ab – selbstredend verkörperten sie in ihrer Geschichte jeweils ein strahlendes Beispiel für einen verantwortungsvollen Verkehrsteilnehmer: fair, sicher, gelassen.

Was also war passiert? Staatsanwältin Sandra Krist schilderte in der Anklageschrift einen nicht ungefährlichen Zwischenfall, der sich am 6. November gegen 18.15 Uhr auf der Bundesstraße 300 zwischen Aichach und Schrobenhausen bei Gachenbach abgespielt hat. Demnach fuhr der Angeklagte mit seinem BMW auf der zweispurigen Straße mehrfach sehr eng auf den Vordermann im Skoda auf und bedrängte ihn mit der Lichthupe – strafbar als Nötigung im Straßenverkehr.

In der Schilderung des Angeklagten spielte sich die Geschichte jedoch genau andersherum ab: Nicht er war der Aggressor, sondern der Skodafahrer. „Er fuhr auf mich auf, hat ständig Lichthupe gegeben und hat mich dann überholt“, berichtete der Scheyerner. „Insgesamt hat er mich dreimal überholt und ausgebremst. Und irgendwann hat er dann bis zum Stillstand gebremst, hat mich angehalten und gesagt, das geht so nicht.“ Zusammen mit seinem Anwalt Stefan Netzer räumte der Angeklagte lediglich ein, bei einem der Gegenüberholmanöver „schon ein bisschen auf den durchgezogenen Bereich“ gekommen zu sein – „weil er ja Gas gegeben hat“.

Und der andere? „Er hat mir beim Überholen den Fahrerspiegel beinahe abrasiert“, empörte sich der 31-jährige Schrobenhausener. Noch aus dem Auto heraus hatte der die Polizei verständigt, den BMW verfolgt und schließlich zum Halten gebracht – mit Warnblinkanlage und durch langsames Abbremsen versteht sich. Alles also ganz korrekt.

Richterin Nappenbach hatte da schon genug. „Bevor wir weitere Zeugen hören, die sich der Gefahr der Falschaussage aussetzen“, sagte sie im Hinblick auf die beiden Gattinnen der Streithähne, „rege ich an, das Verfahren einzustellen“. Letztlich bliebe juristisch nur eine Ordnungswidrigkeit übrig, für zu enges Auffahren. „Es ist wie so oft im Straßenverkehr: Unschön. Aber strafbar? Diese Hürde ist hier noch nicht gerissen“, sagte Nappenbach.