Protokoll eines langen Leidens

18.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:34 Uhr

In diesem Haus in Thalmässing, in dessen Erdgeschoss eine Pizzeria untergebracht ist, ist die kleine Sarah vor über einem Jahr verhungert. - Foto: Bader

Thalmässing/Nürnberg (DK) Die kleine Sarah aus Thalmässing (Landkreis Roth) starb einen qualvollen Tod. Als am 10. August 2009 das letzte Leben aus dem ausgemergelten Körper wich, wog die Dreijährige nur noch acht Kilogramm. Ihre Eltern, das wirft ihnen die Staatsanwalt vor, haben sie einfach verhungern lassen. Heute beginnt vor dem Nürnberger Schwurgericht der Prozess.

Der 30-jährige Vater muss sich wegen gemeinschaftlichen Mordes und Misshandlung von Schutzbefohlenen verantworten. Die schwer an Krebs erkrankte Mutter muss nicht vor Gericht erscheinen. Sie ist laut einem Gutachten nicht verhandlungsfähig.
 

Die Anklageschrift umfasst gerade einmal 37 Zeilen. Dahinter verbirgt sich das unfassbare Leiden eines kleinen Mädchens. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Eltern ihr Kind über lange Zeit vernachlässigt hatten. Ein Indiz dafür: Sarah konnte im Alter von zwei Jahren immer noch nicht laufen. Spätestens ab Anfang 2009 haben die Eltern sich kaum noch um sie gekümmert, ab April bekam das Mädchen viel zu wenig zu essen. Die meiste Zeit lag sie apathisch in ihrem Gitterbettchen. In der Familie lebte auch Sarahs ein Jahr älterer Halbbruder Dominik, der im Gegensatz zu seiner Schwester gut genährt war.

Den Eltern müsse spätestens Ende Juli klar gewesen sein, dass sich Sarah in einem lebensbedrohlichen Zustand befunden hatte, so die Anklageschrift. Erst als die Kleine am Abend des 8. August 2009 nicht mehr ansprechbar war, holten sie den Notarzt. Da wog das Mädchen nur noch 8,2 Kilogramm, knapp das Doppelte wäre normal gewesen. Sie überlebte noch zwei Tage auf der Intensivstation, am 10. August hörte ihr schwaches Herz auf zu schlagen.

Die Staatsanwaltschaft erließ kurz danach Haftbefehl gegen die Eltern, der Vater sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Mutter war nach dem Tod Sarahs selbst im Krankenhaus, sie lag wegen ihrer schweren Erkrankung nach einer Notoperation im Koma. Die Außenwelt hatte von dem Martyrium der kleinen Sarah nichts mitbekommen. Das Jugendamt, das sich lange um die Familie gekümmert hatte, stellte seine Besuche im November 2008 ein. Auch die Großeltern von Dominik, die den Kleinen regelmäßig abholten, hatten nichts vom Leiden seiner dreijährigen Schwester bemerkt.