Eichstätt
"Pressefreiheit ist kein Thema, das ist ein Traum"

Der aus Syrien geflohene Journalist Tarek Khello berichtet bei einem Besuch in Eichstätt über seine Heimat und seine Arbeit

13.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:04 Uhr
War zu Gast an der KU in Eichstätt: Tarek Khello. −Foto: Schneider

Eichstätt (DK) Mit 22 Jahren beginnt Tarek Khello in Syrien als Journalist zu arbeiten. Dann kommt der Krieg, der junge Mann wird immer wieder wegen seiner Arbeit eingesperrt. Er entschließt sich zur Flucht und kommt 2013 nach Deutschland. Hier arbeitet Khello heute wieder als Journalist. Bei einem Besuch an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt haben wir uns mit dem 32-Jährigen unterhalten.

 

Herr Khello, wann fiel die Entscheidung, aus Syrien zu fliehen?

Tarek Khello: Ich wollte nicht weg, wie viele andere auch. Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo man bedroht wird und in Gefahr ist. Da muss man abhauen.

 

Warum sind Sie überhaupt Journalist geworden?

Khello: Ich schreibe gerne, besonders, wenn es um Probleme geht. Menschen, die Probleme haben und das selbst nicht regeln können, brauchen eine Stimme.

Aber in einem Land, in dem Pressefreiheit wahrlich nicht großgeschrieben wird, Journalist zu sein . . .

Khello: Die Themen, die ich mache, wollen viele gar nicht hören, etwa über Missbrauch von Kindern oder Gewalt gegen Flüchtlinge. In Syrien sind auch die Behörden gegen diese Themen. In Deutschland bekommt man dafür keinen Ärger.

 

Ist Pressefreiheit in Syrien in irgendeiner Weise ein Thema?

Khello: Das ist kein Thema, das ist ein Traum. Es gibt inzwischen viele syrische oppositionelle Medien. Sie berichten sehr gut. Aber ihnen fehlt die Unterstützung.

 

Welche Rollen spielen Medien?

Khello: Viele glauben den staatlichen Medien nicht, können das aber nicht sagen. Wenn man darüber spricht, bekommt man Ärger.

 

Wie sieht das dann aus?

Khello: Man verliert seinen Job, wird verhaftet, gefoltert.

 

Sie waren selbst im Gefängnis gesessen. Wie lange?

Khello: Insgesamt viermal, wegen verschiedener Dinge. Einmal habe ich etwa in der Öffentlichkeit fotografiert. Da wurde mir vorgeworfen, ich würde Al-Dschasira unterstützen. Ein anderes Mal habe ich einen Beitrag über Probleme zwischen Kurden und Arabern gemacht: Angeblich hatten Araber eine kurdische Frau umgebracht. Nach längerer Recherche stellte sich heraus: Hier steckt die Polizei dahinter. Das habe ich veröffentlicht.

 

Wie muss man sich dieses Gefängnis vorstellen?

Khello: Das ist Folter. Und am Ende muss man Schmiergeld bezahlen, um freizukommen.

 

Haben Sie das gemacht?

Khello: Jemand hat das für mich gemacht. Ohne Schmiergeld kommt man nie mehr raus.

 

Syrien gilt aktuell als das gefährlichste Land der Welt für Journalisten.

Khello: Es ist und war gefährlich. Es gibt in Syrien verschiedene Seiten. Oppositionelle Medien sprechen von einer Revolution und die staatlichen Medien von einer Krise, Islamisten sprechen von Dschihad und die Kurden über kurdische Gebiete in Syrien als "Rojava". Jeder will seine jeweilige Propaganda umsetzen. Traurig, aber wahr: Wenn ein Journalist nicht mitspielt, wird er verhaftet oder getötet.

 

Wird in Deutschland das Bild von Syrien richtig gezeichnet?

Khello: Ja, aber es wird zu wenig berichtet. Ich habe auch ein Problem mit verschiedenen Worten, etwa dem "Bürgerkrieg". Das war ein Aufstand, das Wort "Bürgerkrieg" ist unfair. Das Volk war auf die Straße gegangen gegen das Regime. Das Regime hat auf die Leute geschossen, hat heftig reagiert. Danach kamen die radikalen Gruppen, auch aus dem Ausland. Dann haben sich Russland, die USA, Saudi-Arabien an den Auseinandersetzungen beteiligt. Die Situation im Land hat sich mehrmals verändert, nur der Begriff blieb immer "Bürgerkrieg".

 

In Deutschland wurde über eine Aussetzung des Abschiebestopps nach Syrien diskutiert. Nun gibt es bis Ende 2018 keine Abschiebungen. Trotzdem die Frage: Wäre das möglich?

Khello: Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Regime sieben Jahre lang die Menschen umgebracht hat und gegen das eigene Volk kämpft - und danach können wir alles vergessen. Wenn Deutschland das macht, ist das so, als würde man mit dem IS ein Abkommen treffen.

 

Was wünschen Sie sich für Ihre Heimat?

Khello: Richtige, unabhängige und starke Medien wie in Deutschland.

 

Das Gespräch führte

Marco Schneider.

 

 

ZUR PERSON

Tarek Khello, Jahrgang 1985, ist in Aleppo aufgewachsen. Er studierte in Damaskus Journalismus und begann 2007 als freier Journalist zu arbeiten. 2013 floh er nach Deutschland. Seit 2016 gehört er zum Journalistenbüro Mediendienst Ost und produziert Fernsehbeiträge für das MDR-Magazin "exakt" und das ARD-Magazin "Fakt".