Greding
Prädestiniert für die himmlische Rolle

16-jährige Julia Nemitz spielt am Gredinger Weihnachtsmarkt das Christkind

05.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:54 Uhr

In eine wahrhaft himmlische Rolle schlüpft Julia Nemitz zum Gredinger Weihnachtsmarkt. Im zauberhaften Kostüm spricht sie am heutigen Samstagabend als Christkind den Gredinger Prolog – und kümmert sich zwei Tage lang um die kindlichen Besucher. - Foto: Luff

Greding (HK) Das Lampenfieber kann noch bis zum heutigen Samstagabend steigen. Doch kurz nach 18 Uhr ist mit dem Prolog das Anstrengendste auch schon wieder vorüber für Julia Nemitz. Die 16-Jährige aus Greding ist heuer das Christkind der Stadt.

„Wenn Kinder vor einem stehen und einen anhimmeln – das ist total süß.“ Findet Julia Nemitz – und sie muss es schließlich wissen, absolviert sie doch gerade eine Ausbildung zur Kinderpflegerin. Sie sammle mit ihrer Rolle also auch Erfahrung für den künftigen Beruf, sagt sie. Und außerdem: „Wer repräsentiert schon einmal die Stadt“, fragt sie und ihre Augen leuchten dabei. Die Begeisterung für die Rolle als Christkind kann und will sie nicht verstecken, sie ist für Julia eine echte Herzensangelegenheit. Wenngleich es eher dem Erbgut zu verdanken ist, dass ihr Haar golden glänzt, dem des Christkindes angemessen.

Ihre Haarpracht war es letztlich, die Julia die Rolle des Christkindes eingebracht hat. Denn vor einem Jahr hatten die Marktleute die Idee geboren, in Greding nach vielen Jahren wieder ein Christkind zu küren. Die Wahl fiel auf die damals 15-Jährige Kim Ochsenkühn aus Landerzhofen. Weil Julias Mutter Kerstin Nemitz sich auch am Weihnachtsmarkt engagiert, seinerzeit beim Aufbau half, waren auch ihre Kinder dabei. Die goldenen Locken stachen der Kulturamtschefin Bettina Kempf ins Auge. „Schau mal, da läuft unser neues Christkind!“, habe diese einer Kollegin zugerufen, erzählt Julia. Es war ein Satz im Spaß dahergeredet. Doch der Gedanke setzte sich in Julias Kopf fest. Ob sie das wirklich machen könnte, fragte sie Bettina Kempf eines Tages. Die schlug sie vor – und bald darauf war das neue Christkind gekürt. Eine Perücke braucht es nicht.

Nicht nur wegen dieser Äußerlichkeit ist Julia eine Idealbesetzung, um Gredings Kinder zur Weihnachtszeit zu erfreuen. Als Christkind kann sie zwei Leidenschaften verknüpfen: die Begeisterung für Kinder und das Faible für das Weihnachtsfest. Ersteres zieht sich wie ein roter Faden durch das junge Leben der 16-Jährigen: Im Faschingsverein Gredonia trainiert sie nicht nur die Juniorengarde, sondern ist – als Minnie Mouse verkleidet – auch für die Kinderanimation zuständig. In der evangelischen Kirche hat sie sich zur Jugendleiterin ausbilden lassen, bestand als Betreuerin beim diesjährigen Konfi-Camp ihre Bewährungsprobe. Und nicht zuletzt spricht ihr Berufswunsch Bände. Der Umgang mit Kindern, sagt Julia, „ist einfach mein Leben“.

Sie wolle für die Kleinen das echte Christkind darstellen, sagt sie, die Illusion erhalten. Und deshalb auch gerne für sie da sein und Wünsche entgegennehmen. Oder einen Schnuller, falls ein kleiner Bub mit diesem Zeichen zu den Großen gehören will. Wenn es während des Weihnachtsmarkts nichts für Julia zu tun gibt, der Prolog gesprochen und der Gang über den Markt absolviert sind, dann geht Julia ins Rathausfoyer, um mit Kindern zu basteln.

Ein richtig schönes Weihnachtsfest will die junge Frau den Kleinen bereiten, ganz so, wie sie es selbst seit Jahren erlebt. „Wir haben zu Hause ganz viele Rituale“, erzählt sie. „Ja, wir streiten uns, wer die letzte Kerze vom Adventskranz anzünden darf“, fällt ihr die kleine Schwester Madita ins Wort. Die Zehnjährige ist noch kurze Zeit amtierende Kinderprinzessin der Gredonia, überlässt jetzt das Rampenlicht aber der Großen. Zumindest den größten Teil davon, denn auch Madita Nemitz ist während des Weihnachtsmarkts unterwegs – als einer von drei Engeln, die das Christkind unterstützen.

Richtige Rituale gebe es aber tatsächlich viele in der Familie, bestätigt Madita und nickt eifrig. Zum Beispiel, dass nach dem Aufstellen des Christbaumes und dem Anbringen der Lichter am Vorabend des Heiligen Abends niemand mehr ins Wohnzimmer darf. Denn dann schmücken die Engel den Baum. Erst nach der Kirche dürfen Mama Kerstin und Papa Volker ins Zimmer hinein, schließlich müssen sie mit dem echten Christkind besprechen, wem welches Geschenk gehört. Vor der Bescherung gibt es immer noch weihnachtliche Musik, „meistens spiele ich Flöte“, erzählt Madita.

Weil das Nürnberger Christkind seit Jahren Greding seine Aufwartung macht, treffen die beiden Himmelsgestalten sogar aufeinander: Teresa Treuheit lernt am morgigen Sonntag Julia Nemitz kennen. Die wiederum hat sich an der erfahreneren Kollegin – Teresa Treuheit ist bereits das zweite Jahr im Amt – schon ein Beispiel genommen: „Ich habe mir im Internet angeschaut, wie Teresa den Prolog gesprochen hat.“

Doch verbindet Julia mehr mit dem berühmten Nürnberger Christkind als sie selbst weiß. Als sie noch ein kleines Mädchen war, ihre Schwester noch gar nicht auf der Welt, da ist die Familie zum Christkindlesmarkt gefahren, erzählt Mutter Kerstin. „Die Julia hat sich dann auf dem Karussell immer dahin gesetzt, wo zuvor das Christkind war.“

Jetzt ist es also so weit, das Kleid – das gute Stück hat Julia ehedem schon einmal als Feenkostüm gedient – hat Kerstin Nemitz weihnachtlich aufgearbeitet, der Text des Prologs, den der Gredinger Schriftsteller Ottokar Wagner verfasst hat, sitzt. Zumindest in Teilen. Ganz auswendig werde sie ihn wohl nicht können, sagt Julia, dafür sei der Prüfungsstress in ihrer Schule zurzeit zu groß. Vor allem das „Pfüat eich“ am Ende bereitet ihr Kopfzerbrechen, als Tochter von Eltern aus Wilhelmshaven hat sie es eher mit dem Hochdeutschen. Freimütig räumt sie deshalb ein: „Der letzte Satz ist eine Qual.“ Der Rest des Daseins als Christkind aber eine echte Freude.