Eichstätt
Positive Resonanz auf frühe Förderung

Bayernweit einmalige Kooperation zwischen Jugend- und Schulamt zieht nach erstem Jahr Bilanz

23.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:36 Uhr
Bilanzgespräch: (von links): Monika Redl (Schulamt), Sabine Bierner (FLEG), Schulamtsdirektor Rudolf Färber, Jugendamtsleiter Siegmund Hammel und Christiane Wander (FLEG). −Foto: Schneider

Eichstätt (EK) Eine bayernweit einzigartige Vernetzung zwischen Schul- und Jugendamt scheint zum Erfolgsmodell zu werden: Durch ein frühzeitiges niederschwelliges Eingreifen sollen Schüler mit Schwierigkeiten rechtzeitig aufgefangen werden.

Nach dreijähriger Modellzeit ist nun das erste Regeljahr vorüber. Die Bilanz ist positiv.

 

 

„Therapeutische Förderung kann nicht im Unterricht passieren.“

Monika Redl Beratungsrektorin

 

 

Mit diesem Projekt, das vor vier Jahren aus gemeinsamen Überlegungen des Jugend- und Schulamtes heraus entstanden ist, will man Auffälligkeiten bei Kindern im Lernfortgang oder im sozialen und emotionalen Verhalten möglichst früh erkennen. Durch geeignete lern- oder gruppentherapeutische Hilfen soll möglichst bald eingegriffen werden, um so seelische Behinderungen bei den Betroffenen zu vermeiden. Außerdem will man verhindern, dass sich die Probleme so verdichten, dass am Ende nur noch teilstationäre oder stationäre Hilfen möglich sind.

So soll die Zahl der Kinder, die eine sogenannte Eingliederungshilfe benötigen, reduziert werden: Durchschnittlich jedes zehnte Kind im Landkreis braucht aktuell so eine therapeutische Behandlung, sei es, um Lernschwierigkeiten – also etwa Legasthenie oder Dyskalkulie – oder ein auffälliges soziales und emotionales Verhalten – beispielsweise ein Rückzug, Konzentrationsstörungen oder andauernde massive Regelverstöße – aufzufangen. Nach einer dreijährigen Modellphase haben im abgelaufenen Schuljahr sieben Grundschulen im Landkreis an dieser „bayernweit einzigartigen Vernetzung“, wie Beratungsrektorin Monika Redl im Bilanzgespräch mehrfach hervorhebt, teilgenommen. Redl hat das Konzept maßgeblich mit dem Jugendamt zusammen ausgearbeitet. „Mit dieser Kooperationsform kommen wir frühstmöglich an die Kinder ran“, sagt Eichstätts Jugendamtsleiter Siegmund Hammel.

Dass das klappt, zeige sich nun nach Modellphase und erstem Regeljahr. Aber: „Wir müssen natürlich jetzt auch die längerfristige Entwicklung beobachten, ob im Einzugsbereich dieser Schulen die Inanspruchnahme von Folgehilfen abnimmt“, sagt Hammel. Alles in allem: „Es gibt nur positive Resonanz“, sagt Monika Redl. Die Leiter der beteiligten Schulen in Altmannstein, Beilngries, Eichstätt/St. Walburg, Gaimersheim, Kösching und Pförring hätten die Bedeutung der vom eigens eingerichteten Fachdienst angebotenen Hilfe hervorgehoben. Es gebe keinerlei Berührungsängste zu den Fachmitarbeitern des Jugendamtes, zudem funktioniere die Mundpropaganda: Die Akzeptanz der angebotenen vorwiegend niederschwelligen Therapien bei Eltern sei hoch, berichten Redl und die beiden Fachdienst-Mitarbeiterinnen Christiane Wander und Sabine Bierner.

Sie waren vom Jugendamt eingestellt worden, um das Projekt in die Fläche zu tragen und an den Schulen vor Ort Präsenz zu zeigen. Wander und Bierner haben an den sieben beteiligten Schulen als „Fachdienst für lern- und entwicklungsauffällige Kinder an Grundschulen“ (FLEG) in den vergangenen vier Jahren mit insgesamt gut 100 Kindern gearbeitet. Dabei wird nicht nur in Einzelgesprächen mit den Betroffenen gearbeitet, sondern, vor allem bei Kindern mit sozialen Problemen, in therapeutischen Kleingruppen.

„Mit dieser Kooperationsform kommen wir frühstmöglich an die Kinder ran.“

Siegmund Hammel Jugendamt

 

„Therapeutische Förderung kann nicht im Unterricht passieren“, sagt Monika Redl. Auch die entsprechenden Beratungslehrer können da nicht weiterhelfen. Wenn aber Therapeuten – wie sie die beiden Fachdienstmitarbeiterinnen Bierner und Wander sind – wöchentlich an den Schulen sind und so kontinuierlich mit den Kindern arbeiten könnten, „kann man auch den Fortschritt laufend begleiten und auch anpassen“. Zudem sei es durch das enge Miteinander zum Jugendamt möglich, externe Fachkräfte zu vermitteln. Voraussetzung, dass alles gelinge, sei aber eine reibungslose Zusammenarbeit vor Ort, und zwar mit Schulleitungen und Schulpsychologen. „Hier muss man auch eine zielgenaue Abstimmung vornehmen“, betont Redl.

Anfangs war es ein Wagnis: Schließlich stehen sich mit Jugend- und Schulamt zwei völlig unterschiedliche Behörden gegenüber. Auf der einen Seite die Planung und Ordnung der Schulwesens, auf der anderen den Schutz und die Erziehung von Kindern und Jugendlichen. „Wir haben gemerkt, dass es viel Kraft kostet, das ins Laufen zu bringen“, sagt Hammel. Aber, das ergänzt Redl: „Das vernetzte Vorgehen ist wertvoll, um noch gravierendere Schwierigkeiten bei den Kindern zu verhindern.“ Schulamtsdirektor Rudolf Färber hebt zudem hervor, dass man heutzutage nicht mehr umhin komme, sich ganzheitlich um Kinder zu kümmern und Schulen als offenes System zu verstehen. „Wir dürfen nicht nur am Lehrplan hängen“, sagt er. Vielmehr sehe er die Verantwortung, denn „die Familien brauchen Hilfestellung“.

Das Projekt ist mittlerweile auch dem Bayerischen Kultusministerium sowie den Bayerischen Jugendamtsleitern ausführlich vorgestellt worden. Jugendamtsleiter Hammel zufolge zeigten sich auch schon die ersten Kollegen an Details interessiert. „Kinder, die diese Hilfen brauchen, gibt es nicht nur im Landkreis Eichstätt“, sagt er. An eine Ausweitung auf weitere Grundschulen im Landkreis will man aber aktuell noch nicht denken: „Wir bringen das jetzt weiter in die Spur und schärfen es weiter.“