Ingolstadt
Pophits für Genießer

The Good Lovelies beim Bluesfest Ingolstadt

28.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:12 Uhr
Unwiderstehlich: Susan Passmore, Caroline Brooks und Kerri Ough (von links) singen in der Ingolstädter Neuen Welt. −Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Alles an diesem Bluesfest-Abend in der Neuen Welt dreht sich um diesen wunderschönen dreistimmigen Gesang.

Dass sie diese so herrlich stimmigen Vokalarrangements derart meisterlich hinbekommen, dafür muss man Caroline Brooks, Kerri Ough und Susan Passmore aus dem kanadischen Toronto, die zusammen The Good Lovelies ergeben, ganz einfach bewundern. Und natürlich auch für ihre Songs. Im mit akribischer Perfektion ausgetüftelten Klangbild dieses speziellen Bandgefüges klingen sie ganz einfach unwiderstehlich. Tauchte eine Nummer wie "I See Gold" oder "Pulse And Flatline" morgen in irgendeiner Hitparade auf, müsste man sich nicht wundern. Doch das wird nicht passieren, dafür sind sie einfach zu gut.

Bevor The Good Lovelies die Bühne betreten, spielen aber zuerst The Leaf Rapids. Das Kurzprogramm des aus Keri und Devin Latimer bestehenden Duos ruht tief im Folk-Idiom, bietet aber eine Besonderheit in Gestalt des Theremins, eines in den 1920er-Jahren in Russland entwickelten elektronischen Instruments, das man spielt, ohne es überhaupt zu berühren. Es wird allein über die Gesten der Hände gesteuert. In Kombination mit einem Sampler entwickeln The Leaf Rapids damit seltsam unwirkliche sphärische Sounds, die ihren Songs einen ganz eigenen Charakter verleihen. Hat es ein Theremin in der langen Geschichte der Neuen Welt eigentlich überhaupt schon einmal gegeben?
Mit Fragen des Klangs beschäftigen sich auch Caroline Brooks und ihre Kolleginnen, die zuhause in Kanada längst Stars sind und viermal mit dem Canadian Folk Music Award und auch mit dem Juno Award ausgezeichnet wurden. Die Songs der Band verfügen nicht nur über hinreißende Hooks, Strophen, Bridges und Refrains der Band, sondern sind auch noch perfekt abgemischt, was sie endgültig zu kleinen drei- bis vierminütigen Kunstwerken macht, an denen man sich schier nicht satthören kann.

Und dann verlassen die drei Ladies einfach mal die Bühne, verzichten auf die Mikrofone und singen "Heebie Jeebies", die uralte Louis Armstrong-Nummer von 1926, ganz schlicht á capella und machen sie zum Höhepunkt des Abends. An dieser Stelle wird besonders deutlich, dass die Band eigentlich vom Folk herkommt. So schön das Beiwerk sein mag - allein der Song zählt. Das ist das eigentliche Credo und nirgends offensichtlicher als an dieser Stelle. Nicht mal bei der ebenfalls absolut überzeugenden Version von "Helplessly Hoping" von Crosby, Stills & Nash.
The Good Lovelies beim Bluesfest. War das überhaupt Blues? Natürlich nicht. Aber geht's darum wirklich? Geht's überhaupt um Etikettierung? Sicher, man braucht Genrebezeichnungen zu Orientierung, letztendlich aber zählt nur, ob Musik, die live gespielt wird, an diesem einen Abend gut, mittelmäßig oder schlecht ist und welche Reaktion sie hervorruft. Die der Good Lovelies war Stoff für Genießer.

Karl Leitner