Pfaffenhofen
Polizisten bringen die Ernte ein

Freispruch aus Mangel an Beweisen: 32-Jähriger soll vier Hanf-Büsche an der Staatsstraße aufgezogen haben

25.09.2019 | Stand 25.10.2023, 10:25 Uhr

Pfaffenhofen (PK) Vier prächtige Hanfbüsche soll ein 32-Jähriger neben einem Acker an der Verbindungsstraße zwischen Scheyern und Ilmmünster erfolgreich durch den trockenen Sommer im vergangenen Jahr gebracht haben.

Die üppige Ernte allerdings pflückte die Polizei: Bei der Laboranalyse wurde ein Wirkstoffgehalt von über 70 Gramm THC festgestellt. Deswegen musste sich der Angeklagte vor dem Schöffengericht verantworten.

Simon P. (alle Namen geändert) hat sich einen Anwalt genommen, denn es droht ein Jahr Haft. 70 Gramm sind juristisch eine "nicht geringe Menge": Für den Gesetzgeber hört der Spaß bei 7,5 Gramm auf. Und deshalb, sagt der Anwalt, wolle sein Mandant vorläufig gar nichts zu den Vorwürfen sagen.

Hauptbelastungszeuge ist Andreas F. , ein 29-jähriger Freizeitjäger. Der hatte vom Hochsitz aus mit seinem Spektiv an einem Augustabend zwei Männer beobachtet, die aus Scheyern herunterradelten, am Acker Halt machten und mit Plastikflaschen hinter einem Gebüsch Pflanzen gossen - zweifelsfrei Cannabis. Einen konnte Andreas F. gut erkennen: Drei-Tage-Bart, Geheimratsecken, hohe Stirn. Wie es der Zufall wollte, traf er den Hanf-Gärtner ein paar Tage später im Supermarkt - und sein Jagd-Instinkt erwachte: Er fuhr dem Radler nach. Dummerweise stand ihm ein Postauto im Weg, aber dann entdeckte er das E-Bike in einer Auffahrt und teilte seine Beobachtungen der Polizei mit. Die Beamten legten ihm Fotos vor, auf denen er den Hanf-Pflanzer identifizieren sollte. Bei einem Porträt war sich Andreas F. ziemlich sicher: Der könnte es sein - wenn er keinen Bart hätte. Um sicher zu gehen, baute die Polizei in der Nähe der Cannabis-Büsche eine Kamera auf. Erfolglos, wie sich herausstellte, denn der Abstand war zu groß, als dass der Bewegungsmelder die Kamera hätte auslösen können. "Näher", rechtfertigte sich der Fahnder vor Gericht, "konnten wir die Kamera nicht aufbauen. Sonst wäre sie ja entdeckt worden. "

Bei der Hausdurchsuchung hatten die Beamten mehr Glück: Im Keller fanden sie nicht nur 0,8 Gramm Marihuana, eine Dosis für den Spontan-Genuss, sondern auch eine Feinwaage und was man sonst noch so an Zubehör zum Kiffen braucht. Außerdem ein Butterflymesser und in einem unverschlossenen Wandschrank im Schlafzimmer eine mit fünf Patronen geladene Schreckschusspistole. "Ein Erbstück meines Opas", erklärte der Angeklagte, "damit ich mich verteidigen kann, falls mal was Schlimmes passieren sollte. " Keine Sorge, dass seine kleine Tochter da rankommt? "Nein, die kommt nicht ins Schlafzimmer. " Tatsächlich? "Nur manchmal nachts", räumt Simon P. ein, "aber dann sind wir ja da. "

Jetzt soll der Zeuge den Angeklagten identifizieren. "Ist er hier im Saal? ", fragt ihn Amtsrichterin Katharina Laudien. Andreas F. schaut zum Angeklagten, der einen üppigen Vollbart trägt. "Eher nicht", sagt er, "der hatte keinen Bart. " Nun kann man von einem Angeklagten nicht verlangen, dass er sich im Gerichtssaal rasiert. Und deshalb bittet ihn die Richterin, ob er denn ein Foto von sich hätte, aufgenommen im vergangenen August. Da müsse er mal schauen, sagt der Angeklagte, verlässt den Saal und kommt mit dem Handy seiner Frau zurück, die draußen wartet. Ja, da gibt's ein Foto, aufgenommen eine Woche vor jenem Augustabend: Es zeigt Andreas F. mit Vollbart. Rein theoretisch, meint die Richterin, hätte er ihn ja kurzfristig abnehmen und unbehaart zum Acker radeln können, um ihn anschließend wieder sprießen zu lassen. Aber das erscheint dann doch etwas zu abwegig.

Auch ein Chat-Verlauf auf dem Handy, in dem sich jemand bei Simon P. erkundigt, wie man Hanf am besten trocknet, erweist sich als wenig belastend. Der Mail-Partner entpuppt sich als Bruder des Angeklagten, der erst gar nicht vorgeladen worden ist, weil er als Angehöriger ohnehin ein Aussageverweigerungsrecht hat. Bleibt als letzter Notnagel für die Anklage nur Andreas F. als Zeuge. Er soll den Angeklagten noch mal genau in Augenschein nehmen. Nein, sagt er, der Mann, den er gesehen hat, der hatte auch ein runderes Gesicht. "Der hier ist es nicht, definitiv! "

Staatsanwältin Julia Eser plädiert auf Freispruch, für den Waffenbesitz allerdings fordert sie eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen von je 40 Euro. Damit wäre Simon P. vorbestraft. Das Gericht schließt sich dem Freispruch an und urteilt beim Verstoß gegen das Waffengesetz milder: Simon P. kommt mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen von je 35 Euro davon.

Albert Herchenbach