München
Polizist klagt gegen den Freistaat

Beamter fordert Schadensersatz für zerstörte Autoscheibe - Am Ende bekommt er die Kosten zumindest teilweise erstattet

11.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:42 Uhr
Patrik Stäbler
Zufrieden zeigt sich der 48-jährige Polizeibeamte mit dem Verlauf der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in München. −Foto: Stäbler

München (DK) Ein Pflasterstein fliegt in den Innenhof einer Polizeiinspektion und zerschlägt die Scheibe des Privatautos eines Beamten. Der fordert daraufhin Schadensersatz vom Freistaat, was dieser aber ablehnt. Nun kam der Fall vors Verwaltungsgericht in München. Der Richter machte gestern einen Kompromissvorschlag, dem beide Seiten schließlich zustimmten: Die Kosten werden aufgeteilt.

Dass da irgendetwas nicht stimmt, fällt Georg Weber (Name von der Redaktion geändert) anfangs gar nicht auf - vielleicht auch, weil dem 48-jährigen Polizisten eine zwölfstündige Nachtschicht in den Knochen steckt. Eilig kratzt er an diesem Februarmorgen den Schnee von den Scheiben seines Autos, das er im Innenhof einer niederbayerischen Polizeiinspektion abgestellt hat, so wie immer. Danach setzt sich Weber ins Auto, er will jetzt nur noch nach Hause ins Bett - doch da tropft es plötzlich neben ihn auf den Beifahrersitz. Das Wasser, das sieht er erst jetzt, dringt durch ein Loch in der Frontscheibe ins Wageninnere.

Als der Polizist aussteigt und das Auto umrundet, um sich den Schaden anzusehen, stolpert er über einen am Boden liegenden Pflasterstein - und nun dämmert ihm langsam, was da passiert sein könnte: Irgendjemand hat diesen handballgroßen Brocken offenbar über den Zaun geschleudert, der den Innenhof der Dienststelle umgibt. Und gelandet ist der Stein dann auf der Frontscheibe von Webers Auto, der den Wagen noch am gleichen Tag zur Reparatur bringt. Die Kosten: 715,27 Euro.

Wegen dieser Summe sitzt Georg Weber gut zwei Jahre später im Verwaltungsgericht München. Der 48-Jährige mit den kurzgeschorenen Haaren trägt einen Ring im Ohr und im Gesicht meist ein Lächeln - außer, wenn er von jener Februarnacht im Jahr 2016 erzählt. Am folgenden Tag hätten seine Kollegen an Häuserwänden in der Umgebung allerlei Schmierereien à la "Fuck Cops" und "Fuck Nazis" entdeckt, "die dem linken oder linksextremen Spektrum zuzuordnen sind", wie es Richter Dietmar Zwerger formuliert.

Georg Weber schließt daraus, dass auch der Angriff mit dem Pflasterstein nicht ihm persönlich, sondern der Polizei im Allgemeinen galt - weshalb er bei seinem Dienstherrn um die Erstattung des Schadens bittet. Doch das Landesamt für Finanzen lehnt seine Anfrage ab, worauf der Polizist Klage einreicht - und nun treffen sich beide Parteien also im Gerichtssaal. Die Kernfrage sei dabei, sagt der Richter: Wollte der Täter, der nicht ermittelt werden konnte, "dem Dienstherrn als solchen" schaden? "War er sich also bewusst, dass er mit seinem Stein immer einen Repräsentanten des Staates trifft, also einen Polizisten?"

Nach Auffassung des Freistaats ist das nicht der Fall. "Seine Position ist, dass es vielmehr der Ausdruck eines allgemeinen Vandalismus ist, der sich in dieser Nacht gezeigt hat", erläutert Richter Zwerger. Demnach müsse der Polizist für den Schaden am Auto ebenso selbst aufkommen wie die Besitzer jener Häuser, deren Wände beschmiert wurden. Dagegen argumentieren Georg Weber und sein Anwalt, dass auf dem abgesperrten Parkplatz nur Polizisten parken dürfen. Mithin sei also klar, dass der Täter es gezielt auf die Polizei abgesehen hatte.

Genau hier liegt der springende Punkt, wie es der Richter später anhand einiger Urteile aus der Vergangenheit erläutert. So hätten Lehrer, deren Autos auf frei zugänglichen Schulparkplätzen beschädigt würden, etwa keine Aussichten auf Schadensersatz. In einem anderen Fall hatte das Verwaltungsgericht Würzburg einem Polizisten jedoch Recht gegeben, nachdem es auf dem Parkplatz seiner Dienstelle zu einer Serie von zerstochenen Reifen und mutwilligen Kratzern gekommen war. Den vorliegenden Fall könne man nun "so oder so sehen", sagt Richter Zwerger. Er schlägt daher einen Vergleich vor: 500 Euro, also rund zwei Drittel des Schadens, soll der Freistaat übernehmen.

Diesem Vorschlag stimmen letztlich beide Seiten zu. Der Vertreter des Landes Bayern betont: "Ich werde als Freistaat nicht um hundert Euro hin oder her feilschen." Und Georg Weber? Der ist erleichtert und verrät, lange nachdem alle Beteiligten den Gerichtssaal verlassen haben: "Ich hatte schon überlegt, die Sache ganz fallen zu lassen. Ich bin vor allem zufrieden, weil's jetzt endlich vorbei ist."
 

Patrik Stäbler