München
Polizeischutz für Feuerwehr gefordert

Gewerkschaft will so an Silvester Attacken gegen Helfer eindämmen - Wenig Probleme in der Region

30.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:07 Uhr
Eine Polizeistreife für jeden Feuerwehr-Einsatz will die Gewerkschaft zum Jahreswechsel. −Foto: Seeger/dpa

München/Ingolstadt (DK/dpa) Attacken auf Helfer beschäftigen Rettungskräfte in Deutschland seit Jahren. Jetzt schlägt die Feuerwehr-Gewerkschaft Alarm - mit einer drastischen Forderung, die für die Ingolstädter Einsatzkräfte aber scheinbar wenig Relevanz hat.

"Ich habe es selbst schon erlebt. Ich bin letztes Jahr mit einem Messer bedroht worden", schildert ein Feuerwehrmann. "Ich bin persönlich schonmal angefahren worden - weil der unbedingt da durch die Einsatzstelle durchfahren wollte", sagt sein Kollege. Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft schlägt Alarm, weil Feuerwehrleute immer häufiger im Einsatz attackiert werden - und stellt eine besondere Forderung: Polizeischutz für Einsatzkräfte an Silvester. Die Gewalt nehme dramatisch zu, sagt Siegfried Maier, stellvertretender Bundesvorsitzender und Bayern-Chef der Gewerkschaft.

"Immer mehr Kollegen haben Schwierigkeiten, weil sie im Einsatz bedroht werden", so Maier. "Wir haben Angst, dass das noch schlimmer wird." An Tagen wie Silvester müsse darum künftig eine Polizeistreife standardmäßig Feuerwehr-Einsätze begleiten, fordert die Gewerkschaft. "Viele Massen, viel Alkohol, viel Spaß", sagt Maier. "Regelmäßig werden die Einsatzfahrzeuge mit Raketen beschossen." Auch wenn seine Forderung viel zusätzliches Polizei-Personal bedeute: "Ich halte es für sehr schwer - aber möglich."

Das bayerische Innenministerium weist die Forderungen zurück. Im Jahr 2017 kam es nach Ministeriumsangaben nur bei jedem 2500. Feuerwehreinsatz im Freistaat zu einer Straftat. Angriffe auf die Feuerwehr seien inakzeptabel und "ein absolutes Unding", sagte ein Sprecher. Die Statistik des Landeskriminalamtes zeige aber, "dass ein dauerhafter unmittelbarer ,Polizeischutz' bei jedem Feuerwehreinsatz nicht gerechtfertigt wäre". Nach Angaben des Landeskriminalamtes gab es im Jahr 2017 insgesamt 88 Fälle von Gewalt gegen Feuerwehrleute im Freistaat - verglichen mit 128 Vorfällen im Jahr 2013 und sogar 145 Attacken im Jahr 2012.

Die Gewerkschaft geht allerdings von einer sehr viel höheren Dunkelziffer aus. Als örtliche Schwerpunkte der Gewalt gegen Feuerwehrleute nennt Maier Berlin und das Ruhrgebiet. "Aber auch in Bayern kommt es immer öfter vor. Die Kollegen werden beschimpft, sie werden bespuckt." Der Sprecher des Bundesverbandes, Tobias Thiele, nennt es ein bundesweites Problem. "Aber im Ruhrgebiet gibt es regelrechte No-Go-Areas." Und auch dort müssten die Feuerwehrleute teilweise in Zwei-Mann-Teams zum Einsatz antreten - da könne Polizeischutz helfen. Thiele meint: "Bei Fußballspielen geht das ja zum Beispiel auch, da kommen Verbindungsbeamte zum Einsatz."

"Respekt - ja bitte!" heißt das Kampagnen-Video auf der Gewerkschaftshomepage, das mit den Schilderungen der betroffenen Feuerwehrleute auf die Gewalt aufmerksam machen will. Die Botschaft: "Es ist nicht nur respektlos, sondern es gefährdet Menschenleben."

Seit drei Jahren beschäftige sich die Feuerwehr mit dem Thema, sagt Maier. Wie groß das Problem wirklich sei, wisse aber selbst die Gewerkschaft nicht - weil Vorfälle nicht zentral erfasst würden. "Wir brauchen endlich ein zentrales Meldesystem", fordert Maier. Er schildert einen besonders schlimmen Fall aus Dortmund: An Silvester sei dort ein Feuerwehrmann, der die Pumpe bediente, um seine Kollegen in einem brennenden Haus mit Wasser zu versorgen, so heftig mit Raketen beschossen worden, dass er unter dem Feuerwehrwagen Schutz suchen musste. Für die Kollegen, die versuchten, das Feuer zu löschen, und plötzlich kein Wasser mehr hatten, bedeutete das Lebensgefahr. Michael Beltle von der Berufsfeuerwehr München schildert in der "Bild"-Zeitung: "Ich wurde bei einem Rettungseinsatz gebissen. Die Frau hatte Hepatitis C, war HIV-positiv. Da war lange große Angst."

Gewalt gegen Rettungskräfte ist kein neues Phänomen, aber eins mit zunehmender Brisanz. Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) meldete Mitte November für dieses Jahr 86 Fälle von Attacken auf Helfer - von Beleidigungen und Anspucken über Schläge und Tritte bis hin zu seltenen Fällen von Waffengewalt. Die tatsächliche Zahl dürfte aber höher sein, weil nur 30 von 73 Kreisverbänden überhaupt Meldungen abgegeben haben.

In der Region scheint das Problem nicht so gravierend zu sein. "In Ingolstadt ist die Welt noch in Ordnung", sagt Thomas Schimmer von der Feuerwehr Ingolstadt, "hier gibt es selten Übergriffe." Insofern sei die Forderung der Gewerkschaft für Ingolstadt nicht relevant. Dennoch: "Bei uns ist die Problematik bekannt, wir sind vorbereitet, geschult und treten deeskalierend auf. Aber Fälle wie in München passieren bei uns nicht."