Nürnberg
Politische Flirt-Party im Rathaus

Speed-Dating mit Nürnberger Stadträtinnen - Teilnehmerinnen üben noch Zurückhaltung

06.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:07 Uhr
Hedwig Schouten. −Foto: Dierenbach

Nürnberg (HK) Zum Speed-Dating mit weiblichen Stadtratsmitglieder ins Rathaus eingeladen hat kürzlich die Stadt Nürnberg. Wir haben mit der Frauenbeauftragten Hedwig Schouten über die Hintergründe der politischen Flirt-Party gesprochen.

Wie war die Stimmung beim politischen Speed-Dating?
Hedwig Schouten: Die Stimmung war schön. Der Rahmen war total nett im ,Schönen Saal` im Rathaus. Dadurch war die Atmosphäre sehr angenehm. Wir hatten Tische mit Namensschildern für das Speed-Dating aufgebaut. Viele Teilnehmerinnen haben die Chance genutzt, mit den Politikerinnen aus Nürnberg ins Gespräch zu kommen. Nach zehn Minuten musste der Tisch und die Gesprächspartnerin gewechselt werden. Unser Ziel war es, mehr Frauen für Politik zu begeistern. In Bayern stagniert der Anteil von Frauen in Landes- und Kommunalparlamenten derzeit bei knapp 25 Prozent. In den Rathäuser ist die Situation noch schlimmer. Bürgermeisterinnen gibt es nur zehn Prozent in Bayern.
Wie war die Resonanz auf Ihre politische Flirt-Party?
Schouten: Viele Stadträtinnen haben teilgenommen. Leider waren nicht ganz so viele Teilnehmerinnen da. Besonders schade ist, dass wir die jungen Frauen überhaupt nicht erreicht haben. Im nächsten Jahr wollen wir die Schülerinnen in den Oberstufen der städtischen Gymnasien einladen.

Ist das ein Teil des Problems, dass sich Frauen zu spät engagieren?
Schouten: Viele junge Frauen glauben, dass ihnen die Welt offen steht. Viele junge Frauen sagen: Wir sind doch gleichberechtigt. Was soll das noch mit der Emanzipation? In der Schule gehören Mädchen zu den Besten. Allerdings merken die Frauen spätestens nach der Ausbildung in der Berufswelt, dass diese doch noch größtenteils von Männern dominiert wird. Und dass sich Frauen noch primär um Familie und Kind kümmern müssen. Eine geschlechterspezifische Benachteiligung spüren viele Frauen deshalb meistens erst, wenn die eigenen Kinder auf der Welt sind.
Schwingt in Ihrer Antwort auch Selbstkritik mit?
Schouten: Ja schon. Frauen wollen heute arbeiten. Aber viele Frauen sind mit einer Teilzeitstelle zufrieden, verlieren dabei allerdings die Langzeitfolgen zum Beispiel für die Rente aus den Augen. Ich finde, ein Vater kann sich genauso gut um die Kinder kümmern. Mein Ideal wäre eine Familienarbeitszeit von 30/32 Wochenarbeitsstunden für beide Elternteile.

Welche Themen beschäftigt Frauen in der Politik besonders?
Schouten: Der Klassiker sind Betreuungsthemen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch das Thema Alleinerziehung und Wohnungsnot sind "Frauen-Themen". Das sind immer noch die weiblichen Politikfelder per se.

Was haben die Stadträtinnen den Teilnehmerinnen beim Speed-Dating geraten?
Schouten: Ein guter Tipp war, in kleinen Schritten zu denken. Es ist viel leichter für Frauen, sich zunächst in der Lokalpolitik zu engagieren. Und später den Einzug in die landesweiten Parlamente zu versuchen. So will Barbara Regitz nun für die CSU nach München ins Maximilianeum. Seit mehr als 20 Jahren engagiert sie sich bereits in der Nürnberger Kommunalpolitik. Auch Claudia Arabackyj will nach Jahren im Stadtrat für die SPD in den Landtag einziehen.

Gibt es ein weiteres Erfolgsgeheimnis für Frauen in der Politik?
Schouten: Viele Stadträtinnen haben von Mentoren berichtet, die den Frauen zum richtigen Zeitpunkt den Mut gegeben haben, den Weg in die politische Öffentlichkeit zu wagen. Andere Politikerinnen sind durch ihr Engagement aufgefallen und dann von den Parteien für den Stadtrat entdeckt worden.

Gibt es eigentlich einen Merkel-Effekt?
Schouten: Da brauche ich nur meine Kinder anzuschauen. Meine beiden Mädchen kennen nur Angela Merkel als Bundeskanzlerin. Ein Junge hat mich mal gefragt, ob Männer auch Kanzlerin werden können (lacht). Also grundsätzlich hat Frau Merkel etwas Positives für Frauen in der Politik getan. Aber konkrete Auswirkungen hat dieser Effekt leider noch nicht. Mittlerweile ist die Zahl der weiblichen Abgeordneten im Bundestag und im bayerischen Landtag sogar zurückgegangen.

Netter Versuch oder geniale Strategie: Welches Resümee ziehen Sie unter das erste politische Speed-Dating für Frauen in Nürnberg?
Schouten: Die Bilanz ist positiv. Wir werden das weiterführen.

Das Gespräch führte

Nikolas Pelke